Für die aktuarielle Bewertung von Pensionszusagen in der betrieblichen Altersversorgung sind geeignete biometrische Annahmen erforderlich, die in die versicherungsmathematischen Barwertberechnungen eingehen (Anwendung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik, für die Steuerbilanz gemäß § 6a Abs. 3 S. 3 EStG). Zu diesen gehören u.a. die Wahrscheinlichkeiten, dass ein aktiver oder ehemaliger Arbeitnehmer in einem bestimmten Alter versterben oder invalide wird. Zur Herleitung angemessener Wahrscheinlichkeiten werden mittels statistischer Methoden aus vorliegenden Daten zur historischen Entwicklung der beobachteten Häufigkeiten geeigneter Populationen Schätzwerte zur bisherigen Entwicklung der Sterbewahrscheinlichkeiten etc. gewonnen, die anschließend mittels für plausibel gehaltener Annahmen in die Zukunft weiterentwickelt werden.
Da die tatsächliche Entwicklung der beobachteten Häufigkeiten von den in der Vergangenheit geschätzten Größen nach einiger Zeit abweicht, werden diese Rechnungsgrundlagen immer wieder aktualisiert. In Deutschland werden derzeit für Pensionsrückstellungen i.d.R. die von der Finanzverwaltung grundsätzlich anerkannten biometrischen Rechnungsgrundlagen Heubeck-Richttafeln 2005 G für alle Bilanzen verwendet, wobei insbesondere für die Handelsbilanzen größerer Unternehmen nicht selten unternehmensspezifische Modifikationen mit sehr deutlich reduzierten Invalidisierungs- und reduzierten Sterbewahrscheinlichkeiten verwendet werden. Für andere Zwecke, insbesondere in versicherungsförmigen Durchführungswegen, liegen dagegen meist andere Rechnungsgrundlagen den Bewertungen zu Grunde.
Die seit 2005 verwendeten Richttafeln 2005 G sollen nun durch die neuen Richttafeln 2018 G ersetzt werden, die nach Angaben der Heubeck AG auf aktualisierten statistischen Daten (insbesondere aus dem „Zensus 2011”) beruhen. Die geringere Häufigkeit von Invaliditätsfällen bei älteren Arbeitnehmern und die bei Personen mit höheren Renten festgestellte höhere Lebenserwartung seien nun durch entsprechend angepasste Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Durch den Übergang von den Richttafeln 2005 G auf die Richttafeln 2018 G sei ein Anstieg der Pensionsrückstellungen – in Abhängigkeit von der Bestandszusammensetzung und den sonstigen Rechnungsannahmen – zwischen 0,8 % und 1,5 % (Steuerbilanz) bzw. zwischen 1,5 % und 2,5 % (Handelsbilanzen) als Einmaleffekt zu erwarten.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieser Einmaleffekt gemäß § 6a Abs. 4 S. 2 EStG steuerbilanziell „nur auf mindestens drei Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt der Pensionsrückstellung zugeführt werden” darf, während er handelsbilanziell (HGB) sofort in voller Höhe aufwandswirksam wird. Nach IFRS (IAS 19) gehört der Einmaleffekt zu den versicherungsmathematischen Gewinnen / Verlusten aus Veränderungen der demografischen Annahmen (IAS 19.76a und 19.141c), die separat ausgewiesen werden müssen, aber nicht aufwandswirksam sind.
Es ist zu erwarten, dass auch die neuen Richttafeln von der Finanzverwaltung für steuerliche Zwecke durch ein entsprechendes BMF-Schreiben noch im Jahr 2018 anerkannt werden. Das BMF-Schreiben könnte auch Übergangsregelungen etwa hinsichtlich der Berechnung und Fortschreibung des zu verteilenden Einmaleffekts vorgeben. Da biometrische Rechnungsgrundlagen nicht nur für Pensionsverpflichtungen, sondern auch für andere Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis (Jubiläumszusagen, Vorruhestands- oder Altersteilzeitverpflichtungen, Sterbegeld) verwendet werden, sind auch hier (teilweise deutliche) Auswirkungen zu erwarten.
Aktualisierung: Die Heubeck AG teilte am 25.9.2018 mit, dass die Richttafeln 2018 G noch einer Überarbeitung bedürften, da „der Trend zur Verbesserung der Sterblichkeiten und damit zur Verlängerung der Lebenserwartung um durchschnittlich 10 % überschätzt” worden sei. Die Folge eines verringerten Trends wird i.d.R. eine geringere Rückstellung sein als auf Basis der ursprünglich herausgegebenen Richttafeln zu erwarten war. Es ist damit zu rechnen, dass die Überarbeitung der Richttafeln etwa Mitte Oktober 2018 abgeschlossen sein wird.
Mittlerweile liegt auch ein erster fachlicher Hinweis des Hauptfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) „Zur Anwendung der neuen Heubeck-Richttafeln RT 2018 G bei der Bewertung von Altersversorgungsverpflichtungen in HGB- und IFRS-Abschlüssen” vor. Demnach sind die neuen Richttafeln für handelsbilanzielle Abschlüsse nach HGB und IFRS anzuwenden, „sobald sie allgemein anerkannt sind und bessere […] Schätzwerte darstellen als die bislang von den Unternehmen zugrunde gelegten Tabellenwerke.” Die allgemeine Anerkennung hänge von der „Validierung und Implementierung der neuen Richttafeln durch die Rechnungslegungspraxis, insb. die Aktuare“ sowie von der Anerkennung durch das BMF ab. Die Richttafeln 2018 G seien in diesem Fall für solche Abschlüsse grundsätzlich anzuwenden, deren Stichtag nicht vor dem Datum der Veröffentlichung eines entsprechenden (finalen) BMF-Schreibens auf der website des BMF liegt.
Aktualisierung: Die neu überarbeiteten Richttafeln 2018 G liegen uns nun vollständig vor. Wir haben unsere bereits früher dargestellten Untersuchungsergebnisse zu den Auswirkungen der neuen Richttafeln mit den überarbeiteten Richttafeln aktualisiert: Untersuchung der überarbeiteten RT 2018 G.
Aktualisierung: Die Richttafeln 2018 G sind mittlerweile von der Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 19.10.2018 anerkannt worden.
Aktualisierung: Der Fachausschuss Altersversorgung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) hat in seinem Ergebnisbericht „Anwendbarkeit der Heubeck-Richttafeln 2018 G für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen” vom 27.11.2018 die Anwendbarkeit der Richttafeln 2018 G für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen untersucht, und erhebt keine Einwände gegen ihre Verwendung. Damit dürften die neuen biometrischen Rechnungsgrundlagen auch für handelsbilanzielle Zwecke anwendbar sein, sofern keine ungewöhnlichen Zusagen oder Bestandsverhältnisse besondere Betrachtungen erforderlich machen.