Gesetzliche Insolvenzsicherung für Pensionskassenzusagen

Das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) enthält – neben zahlreichen Änderungen im Bereich der Sozialversicherung – einen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügten Artikel 8a zur Änderung des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG), mit dem i.W. die grundsätzliche Insolvenzsicherungspflicht für solche Betriebsrentenzusagen eingeführt wird, die über regulierte Pensionskassen durchgeführt werden.

I. Insolvenzschutz für Pensionskassen

Die in §§ 7ff. BetrAVG geregelte gesetzliche Insolvenzsicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (PSV) für laufende Leistungen und für gesetzlich unverfallbare Anwartschaften dient deren Absicherung bei Insolvenz des arbeitsrechtlich letztlich zur Leistung verpflichteten Arbeitgebers. Da Pensionskassen umfangreicher Regulierung unterliegen, die ihre Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Leistungsversprechen sicherstellen soll, und durch die Versicherungsaufsicht überwacht werden, sah der Gesetzgeber bisher keine Notwendigkeit, über Pensionskassen durchgeführte Zusagen von der Insolvenzsicherung erfassen zu lassen. Selbst im für unwahrscheinlich gehaltenen Fall einer Leistungskürzung durch eine Pensionskasse kann sich der Betriebsrentner an den arbeitsrechtlich gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG subsidiär zur Zahlung verpflichteten Arbeitgeber halten, so dass nur dann eine Sicherungslücke besteht, wenn sowohl eine Pensionskasse Leistungskürzungen vornimmt als auch der verpflichtete Arbeitgeber nicht mehr existiert oder insolvent ist.

Im Laufe der letzten Jahre und infolge der anhaltenden Niedrigzinssituation sind allerdings immer mehr Pensionskassen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, was Leistungskürzungen erforderlich machte. Auch infolge eines Urteils des EuGH vom 19.12.2019, C-168/18, auf Grundlage von Artikel 8 der EU-Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (RL 2008/94/EG vom 22.10.2008) wird nun der gesetzliche Insolvenzschutz auf Pensionskassenzusagen erweitert.

Dabei wird unterschieden zwischen Pensionskassen, die Mitglied der Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherer (Protektor Lebensversicherungs-AG) sind, und anderen Pensionskassen. Die Mitglieder von Protektor können nur deregulierte Pensionskassen sein, die keine satzungsmäßige Möglichkeit zur Leistungskürzung (Sanierungsklausel) haben und deren Finanzverhältnisse mit denen der Lebensversicherungsunternehmen vergleichbar sind (insbesondere keine Firmenpensionskassen). Der Grund dafür ist die – isoliert betrachtet – grundsätzlich bessere Finanzausstattung der deregulierten Kassen, deren Rechnungszins den jeweiligen Höchstrechnungszins der Lebensversicherungsunternehmen nicht überschreiten darf.

Eine Änderung von § 7 BetrAVG bezieht nun die über eine Pensionskasse durchgeführten Pensionszusagen in den Schutzbereich der gesetzlichen Insolvenzsicherung ein, sofern die Kasse nicht Mitglied von Protektor und auch keine gemeinsame Einrichtung nach § 4 TVG ist. Durch Änderungen in § 18 BetrAVG werden auch die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes, die Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester und die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen von dem gesetzlichen Insolvenzschutz ausgenommen.

Voraussetzungen für Leistungen durch den PSV sind, dass der Arbeitgeber, der die Zusage erteilt hat, insolvent ist oder die nach § 7 Abs. 1 S. 4 BetrAVG der Insolvenz gleichgestellten Fälle eintreten, und dass außerdem die Pensionskasse ihre Leistungen gegenüber der zugesagten Leistung reduziert hat. Ferner gelten die allgemeinen Voraussetzungen für den gesetzlichen Insolvenzschutz, etwa das Erreichen der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen gemäß § 1b BetrAVG. Der Anspruch gegen den PSV besteht auch dann nur in der Höhe, in der die Pensionskasse „die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung nicht erbringt“ (§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BetrAVG n.F.). Unklar erscheint hier allerdings insbesondere, wie vergangene und künftige Überschüsse der Pensionskasse bei dem Vergleich zwischen zugesagten und tatsächlich von der Pensionskasse erbrachten Leistungen berücksichtigt werden sollen.

II. Versicherungsvertragliche Lösung für die unverfallbare Anwartschaft

Die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitratierlich aus der erreichbaren Anwartschaft zu ermitteln, bei beitragsorientierten Leistungszusagen und Zusagen aus Entgeltumwandlung dagegen gemäß § 2 Abs. 5 BetrAVG aus den bis zum Ausscheiden geleisteten Beiträgen. Demgegenüber sieht die sog. versicherungsförmige Lösung in § 2 Abs. 2 S. 2 BetrAVG vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen die von einer Pensionskasse oder Direktversicherung zu zahlenden Leistungen an die Stelle dieser unverfallbaren Anwartschaft treten können.

Während bisher die versicherungsförmige Lösung nur auf Verlangen des Arbeitgebers und auch dann nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden gewählt werden konnte, wird sie durch eine Änderung des § 2 BetrAVG nun auch ohne ein solches Verlangen des Arbeitgebers für die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft bei den Durchführungswegen Pensionskasse und Direktversicherung maßgeblich. Dies setzt aber voraus, dass die sonstigen Bedingungen für die Anwendung der versicherungsförmigen Lösung gegeben sind. Insbesondere muss der Versicherungsvertrag die ausschließliche Verwendung der Überschussanteile zur Verbesserung der Versicherungsleistungen vorsehen. Nach dem BAG-Urteil vom 18.2.2020, 3 AZR 137/19, dürfen Überschussanteile auch nicht für die Zahlung oder Erhöhung von Sterbegeldern verwendet werden (denn diese gehören nicht zur betrieblichen Altersversorgung; Rn. 109). Maßgeblich ist hier die versicherungsvertragliche Regelung, nicht die tatsächliche Handhabung durch die Versicherung bzw. Pensionskasse (Rn. 51ff.). Bemerkenswert ist, dass nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/19037) auch bei bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes ausgeschiedenen Arbeitnehmern die versicherungsvertragliche Lösung zur Anwendung kommen soll.

Ferner wird mit dem neuen § 2 Abs. 2 S. 3 BetrAVG klargestellt, dass die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG auch dann weiterbesteht, wenn die versicherungsförmige Lösung zur Anwendung kommt. Die durch den PSV insolvenzgeschützte Anwartschaft entspricht gemäß § 7 Abs. 2a S. 1 Nr. 3 BetrAVG n.F. der unverfallbaren Anwartschaft nach der versicherungsförmigen Lösung. Die in § 2a Abs. 2 BetrAVG ggf. vorgeschriebene Dynamisierung der Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer soll jedoch nicht für die vom PSV geschützten Anwartschaften gelten (§ 7 Abs. 2a S. 4 Hs. 2 BetrAVG n.F.).

III. Liquidationsversicherung

Die bestehende Regelung des § 4 Abs. 4 BetrAVG sieht die Möglichkeit vor, bei Einstellung der Betriebstätigkeit und Liquidation des Unternehmens eine Pensionszusage auf eine Pensionskasse oder ein Lebensversicherungsunternehmen auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers oder Versorgungsempfängers zu übertragen. Bei einer Übertragung auf eine Pensionskasse, die nicht dem Sicherungsfonds von Protektor angehört, muss nun nach dem neuen § 4 Abs. 4 S. 2 BetrAVG sichergestellt sein, „dass im Zeitpunkt der Übernahme der in der Rechtsverordnung zu § 235 Absatz 1 Nummer 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten wird.“ Mit dieser Regelung soll die Wahrscheinlichkeit von künftigen Leistungskürzungen reduziert werden. Der genannte Höchstzinssatz nach der Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV) beträgt derzeit noch 0,9 %, wird aber voraussichtlich bald weiter abgesenkt werden.

IV. Mitteilungspflichten

Die Mitteilungspflichten für den Insolvenzfall werden durch den neuen § 9 Abs. 3a BetrAVG für Pensionskassen (und entsprechend § 9 Abs. 3b BetrAVG für Pensionsfonds) ergänzt: Wenn die Pensionskasse vom Eintritt des Sicherungsfalls bei einem der Arbeitgeber erfährt, deren Pensionszusagen sie durchführt, „hat sie dies und die Auswirkungen des Sicherungsfalls auf die Pensionskasse der Aufsichtsbehörde und dem Träger der Insolvenzsicherung unverzüglich mitzuteilen“. Die Aufsichtsbehörde kann dann unter bestimmten Voraussetzungen die Übertragung des anteiligen Vermögens der Pensionskasse auf den PSV verlangen.

Wenn der Sicherungsfall eines solchen Trägerunternehmens bereits eingetreten ist und die Pensionskasse „Änderungen von Versorgungsleistungen“ beschließt, so muss sie dies dem PSV nach dem neuen § 11 Abs. 6a BetrAVG unverzüglich mitteilen, da dieser seine Leistungen aufnehmen bzw. entsprechend anpassen muss. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung gilt als Ordnungswidrigkeit (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG n.F.).

V. Beitragshöhe

Die Finanzierung der Insolvenzsicherung von Pensionskassenzusagen macht die Erhebung von PSV-Beiträgen wie bereits in den anderen insolvenzgeschützten Durchführungswegen erforderlich. Die Beitragsgrundlage ist nach der Neufassung des § 10 Abs. 3 Nr. 4 BetrAVG in Anlehnung an die Regelung für Unterstützungskassenzusagen zu bestimmen:

  • Bei unverfallbaren Anwartschaften auf lebenslange Altersrente entspricht sie der Höhe der Jahresrente, die im Versorgungsfall, spätestens bei Erreichen der Regelaltersgrenze, erreicht werden kann; bei ausschließlich lebenslangen Invaliden- oder Hinterbliebenenleistungen ohne Altersleistung soll sie dagegen „jeweils ein Viertel dieses Wertes“ sein.
  • Für laufende Leistungen sind als Beitragsbemessungsgrundlage 20 % des Deckungskapitals anzusetzen, das nach Anlage 1 Spalte 2 zu § 4d Abs. 1 EStG für Renten an männliche Empfänger von Unterstützungskassenleistungen berechnet würde.
  • Kapitalleistungen und Auszahlungspläne werden dabei jeweils mit 10 % der Kapitalhöhe bzw. Ratensumme angesetzt.

Dieselbe Berechnungsmethode soll auch für Pensionsfonds gelten, für die bisher eine Beitragsbemessungsgrundlage in Höhe von 20 % des für Direktzusagen maßgeblichen Betrags (i.W. der steuerbilanzielle Teilwert) maßgeblich war. Die – wie bisher bereits für Pensionsfonds – verhältnismäßig niedrige Beitragsbemessungsgrundlage spiegelt die geringe Höhe der für den PSV zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen wider, die aus der allgemein hohen Kapitalausstattung von Pensionskassen im Vergleich zu anderen insolvenzgeschützten Durchführungswegen folgt.

Der Beitrag wird grundsätzlich aus der Beitragsbemessungsgrundlage durch Multiplikation mit dem jährlich vom PSV ermittelten Beitragssatz berechnet, der z.B. für das Jahr 2019 3,1 ‰ betrug und für das Jahr 2020 derzeit vom PSV auf 4 bis 5 ‰ geschätzt wird.

Zur Verwaltungsvereinfachung kann prinzipiell die neue Vorschrift des § 10 Abs. 1 S. 2 BetrAVG dienen, die zulässt, dass ein Versorgungsträger für den Arbeitgeber die Beiträge übernehmen kann. Zumindest im Fall der Pensionskassen ist aber zu bedenken, dass eine derartige Beitragsübernahme vom Regelwerk der Pensionskasse vorgesehen sein müsste, was wegen der bisher fehlenden Beitragspflicht regelmäßig nicht der Fall sein wird. Die Anwendung eines einheitlichen Bewertungsdatums für die Pensionsverpflichtungen aller Trägerunternehmen soll nach der Gesetzesbegründung zulässig sein, so dass trotz evtl. abweichender Bilanzstichtage verschiedener Trägerunternehmen nicht mehrere Bewertungen der Verpflichtungen in einem Jahr erforderlich sind.

VI. Übergangsvorschriften

Die Neuregelungen zum Betriebsrentengesetz sind bereits zum 24.6.2020 in Kraft getreten. Sicherungsfälle bei Pensionskassenzusagen fallen grundsätzlich nur unter den Schutz des PSV, wenn sie nach dem 31.12.2021 eintreten (§ 30 Abs. 2 S.1 BetrAVG). Frühere Sicherungsfälle können jedoch gemäß § 30 Abs. 3 BetrAVG ausnahmsweise insolvenzgesichert sein, „wenn die Pensionskasse die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung um mehr als die Hälfte kürzt oder das Einkommen des ehemaligen Arbeitnehmers wegen einer Kürzung unter die von Eurostat für Deutschland ermittelte Armutsgefährdungsgrenze fällt“; dies soll entsprechend dem o.g. EuGH-Urteil vom 19.12.2019 eine unverhältnismäßige Leistungskürzung verhindern. Unklar bleibt allerdings, in welcher Höhe der PSV in diesen Fällen die Leistungskürzung ausgleichen soll. Die dem PSV dabei entstehenden Kosten werden vom Bund übernommen.

Die Beitragspflicht für Pensionskassen beginnt im Jahr 2021 mit einem Beitragssatz von 3 ‰ auf die Bemessungsgrundlage anstelle des regulären Beitragssatzes gemäß § 10 BetrAVG, der erst ab dem Jahr 2022 gilt. Ferner wird für die Jahre 2022 bis 2025 ein zusätzlicher Beitragssatz von 1,5 ‰ erhoben, um den bereits bestehenden Ausgleichsfonds des PSV (§ 10 Abs. 2 S. 3 BetrAVG) anteilig nachzufinanzieren.

Für Pensionsfonds können die Beitragsbemessungsgrundlagen für die Jahre bis einschließlich 2022 wahlweise noch nach dem bisherigen Verfahren ermittelt werden (§ 30 Abs. 4 Hs. 2 BetrAVG).

Die Angemessenheit der Beitragssätze soll im Jahr 2026 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales überprüft werden (§ 30 Abs. 5 BetrAVG).