Keine sofortige Ausgleichspflicht für Anwartschaftskürzungen einer Pensionskasse (BAG-Urteil vom 12.5.2020, 3 AZR 157/19)

In seinem Urteil vom 12.5.2020 befasst sich das BAG mit den Folgen von Anwartschaftskürzungen durch eine Pensionskasse für den Arbeitgeber, der die zugrunde liegenden Pensionszusagen erteilt hat. Hintergrund des Rechtsstreites bildet die Entscheidung der Mitgliederversammlung des BVV vom 24. Juni 2016, nach der für Beitragszahlungen ab dem Jahr 2017 der Rechnungszins für verschiedene Versicherungstarife abgesenkt wird und daher ab dem 1. Januar 2017 neue Verrentungstabellen mit erheblich abgesenkten Verrentungsfaktoren zur Anwendung kommen. Der BVV ermöglicht es dem Arbeitgeber, durch entsprechend erhöhte Beitragszahlungen die daraus resultierende Reduzierung der künftigen Versorgungsleistungen auszugleichen.

Im vorliegenden Fall macht der Arbeitgeber von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch, da er der Ansicht ist, eine reine Beitragszusage erteilt zu haben und für die Leistungskürzungen des BVV nicht einstehen zu müssen. Zudem macht er geltend, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht feststehe, ob sich der klagende Arbeitnehmer durch die Absenkung der Verrentungsfaktoren tatsächlich schlechter stelle, da dies erst im Leistungsfall durch einen „Soll-Ist-Vergleich“ festgestellt werden könne (Rn. 13).

Das BAG stellt zwar fest, dass der Arbeitgeber keine reine Beitragszusage sondern vielmehr eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung erteilt habe, und daher eine Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben sei (Rn. 21ff.). Zudem bejaht es das Vorliegen einer Umfassungszusage für die Eigenbeiträge des Arbeitnehmers (Rn. 33ff.). Allerdings bestehe die Einstandspflicht erst bei Eintritt des Versorgungsfalls (Rn. 40ff.). Erst zu diesem Zeitpunkt stehe die Differenz zwischen den vom Arbeitgeber zugesagten und den von der Pensionskasse tatsächlich erbrachten Leistungen fest (Rn. 47).

Die Forderung des Klägers, den Arbeitgeber zwecks Ausgleichs der Kürzungen zu einer Zahlung von zusätzlichen Beiträgen an den BVV zu verpflichten, wird somit verworfen. Inwieweit der Arbeitgeber bei Eintritt des Versorgungsfalls für eine aus Leistungskürzungen der Pensionskasse resultierende Differenz einzustehen habe, hänge davon ab, ob beim Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Änderung der Verrentungstabellen hinreichende Gründe für die Verschlechterung der Zusage im Sinne des dreistufigen Prüfungsschemas des BAG vorgelegen hätten (Rn. 46).

In seinem Urteil äußert sich das BAG nicht dazu, in welchem Umfang der Arbeitgeber ggf. nach Absenkung der Verrentungsfaktoren entstehende Anwartschaftserhöhungen durch Überschussbeteiligungen der Pensionskasse mit den Anwartschaftskürzungen verrechnen darf. Auch setzt es sich nicht mit den Fragen auseinander, unter welchen Voraussetzungen der Aufwand des Arbeitgebers für eine erforderliche Aufstockung der Pensionskassenleistung eine Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung darstellen und ab welcher Aufwandshöhe dies einen Eingriffsgrund in die dritte Besitzstandsstufe darstellen könnte. Allerdings weist das BAG explizit darauf hin, dass der Arbeitgeber bei Eintritt des Versorgungsfalls möglicherweise wegen der Höhe der Versorgung, für die er einzustehen hat, eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB geltend machen könne (Rn. 47). Vgl. zur Thematik auch das BAG-Urteil vom 10.2.2015, 3 AZR 65/14 und die BAG-Urteile vom 15.3.2016, 3 AZR 827/14 u.a.