Versorgungsausgleich: Voraussetzung für den Einstieg in die Totalrevision nach § 51 VersAusglG; Anwendbarkeit von § 31 VersAusglG (Tod eines Ehegatten) im Rahmen der Totalrevision und Berücksichtigung von Vorruhestandszeiten bei der Berechnung des Ehezeitanteils (BGH-Beschluss vom 5.2.2020, XII ZB 147/18)

Der zwölfte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) äußert sich in seinem Beschluss vom 5.2.2020 zu der Frage, in welchen Fällen einem nach dem alten, bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht Ausgleichsverpflichteten im Falle des Todes der ausgleichsberechtigten Person die Abänderung (Totalrevision) des Versorgungsausgleichs nach § 51 VersAusglG möglich ist. Zudem stellt der BGH klar, dass die Regelungen zum Tod eines Ehegatten gem. § 31 VersAusglG auch im Rahmen einer Totalrevision uneingeschränkt gelten.

Von praktischer Bedeutung für eine Vielzahl von Versorgungsausgleichen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung dürften auch die Ausführungen des BGH zur Berücksichtigung eines nach Ende der Ehezeit vereinbarten Vorruhestandes sein (Rn. 16):

„Hat die nachehezeitliche Inanspruchnahme von Vorruhestandsregelungen bei einer zeitratierlich zu bewertenden Versorgung – wie hier – wegen der damit einhergehenden Änderung des Zeit-Zeit-Verhältnisses zwischen versorgungsrechtlicher Gesamtzeit und ehezeitlicher Zugehörigkeit zum Versorgungssystem eine Erhöhung des Ehezeitanteils und damit des Ausgleichswerts zur Folge, liegt hierin eine auf den Ehezeitanteil zurückwirkende tatsächliche Veränderung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG“.

Auch wenn diese Ausführungen des BGH in der Regel die aktuelle betriebliche Praxis lediglich bestätigen dürften, führen sie doch erneut zu einem weiteren Stückchen Rechtssicherheit bei den Berechnungen zum Versorgungsausgleich.

Im Fokus des vorliegend entschiedenen Falles stand jedoch die Frage nach dem Einstieg in das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG.

Nach § 51 VersAusglG können die früheren Ehegatten unter gewissen Voraussetzungen die Abänderung eines nach altem Recht durchgeführten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs beantragen. Sofern die Voraussetzungen für den Einstieg in dieses Abänderungsverfahren eröffnet sind, wird der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich nach altem Recht rückabgewickelt und es erfolgt eine Teilung der Anrechte auf Basis des „neuen“ Rechtes.

Die Totalrevision nach § 51 VersAusglG kann grundsätzlich von beiden früheren Ehegatten beantragt werden (gem. § 226 Abs. 2 FamFG frühestens 6 Monate bevor ein Ehegatte voraussichtlich eine laufende Versorgung aus dem abzuändernden Anrecht bezieht). Voraussetzung hierfür ist

  • eine wesentliche Wertänderung von mindestens einem Anrecht (§ 51 Abs. 2 VersAusglG) oder
  • eine „Dynamisierungsverfehlung“ von mindestens einem Anrecht (§ 51 Abs. 3 VersAusglG)

Eine Wertänderung ist im Sinne von § 51 Abs. 2 VersAusglG dann wesentlich, wenn sie mindestens 5 % des Ausgleichswertes und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße mindestens 1 % der zum Ende der Ehezeit maßgeblichen Bezugsgröße nach §18 SGB IV beträgt.

Im vorliegenden Fall wurden im Jahr 1990 die Anrechte der beiden früheren Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie ein betriebliches Anrecht des Ehemanns in den Versorgungsausgleich einbezogen. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach altem Recht erfolgten sowohl ein Ausgleich der höheren Ansprüche des Ehemannes aus der gesetzlichen Rentenversicherung als auch ein Ausgleich im Wege des Rentensplittings für das Anrecht aus der betrieblichen Altersversorgung über die gesetzliche Rentenversicherung.

Die frühere Ehefrau verstarb im Jahr 2004 ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene, und der frühere Ehemann beantragte im Jahr 2017 die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich nach § 51 VersAusglG. Hiermit verfolgt er das Ziel, den gesamten Versorgungsausgleich aufgrund des Todes seiner früheren Ehefrau und damit die Kürzung seiner Sozialversicherungsrente rückgängig zu machen.

Auf Basis der neu eingeholten Auskünfte bei den Versorgungsträgern ergeben sich gegenüber den Auskünften im Verfahren zum Versorgungsausgleich nach dem alten Recht beim früheren Ehemann eine geringfügige Minderung der gesetzliche Rente und bei der früheren Ehefrau eine etwas größere Erhöhung aufgrund der geänderten Anrechnung von Mutterschutzzeiten. Beide Änderungen liegen jedoch unterhalb der Wesentlichkeitsgrenze von § 51 Abs. 2 VersAusglG.

Eine wesentliche Änderung ergibt sich jedoch in Bezug auf das betriebliche Anrecht, für welches der Versorgungsträger nunmehr einen deutlich höheren Ehezeitanteil ermittelt hat. Inwiefern dieser Wert korrekt ermittelt worden ist, kann der BGH aber trotz erheblicher Zweifel offenlassen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an, da angenommen werden könne, dass sich der Ehezeitanteil allein schon aufgrund der verkürzten Erdienenszeit infolge des nachehezeitlich vereinbarten Vorruhestandes wesentlich im Sinne von § 51 Abs. 2 VersAusglG erhöht habe (Rn. 16).

Sofern die frühere Ehefrau nicht zwischenzeitlich verstorben wäre, hätte dies ausgereicht, um eine Abänderung des Versorgungsausgleichs zu begründen. Im vorliegenden Fall wäre die Abänderung jedoch zu Lasten des früheren Ehemanns ausgefallen, da er nach dem neuen Versorgungsausgleichsrecht einen deutlich höheren Anteil an seinem betrieblichen Anrecht verloren hätte und im Gegenzug nur eine deutlich kleinere Erhöhung seines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt wäre.

Aufgrund des zwischenzeitlichen Todes der Ehefrau stellt sich die Situation jedoch grundlegend anders dar, da nach Ansicht des BGH die Vorschrift des § 31 VersAusglG über den Tod eines Ehegatten auch im Falle einer Totalrevision nach § 51 VersAusglG uneingeschränkt anzuwenden ist (Rn. 22). Der Tod des insgesamt Ausgleichsberechtigten führt dann nach § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG dazu, dass der insgesamt ausgleichspflichtige überlebende Ehepartner sein gesamtes während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragsstellung ungeteilt zurück erhält (Leitsatz a).

Im vorliegenden Fall scheitert das Begehren des früheren Ehemanns jedoch daran, dass laut dem Beschluss des BGH für den Einstieg in das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG eine wesentliche und für den überlebenden und insgesamt ausgleichspflichtigen Ehegatten begünstigende Wertänderung eines in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechts erforderlich ist. Dieser „kann seinen Abänderungsantrag in Bezug auf die wesentliche Wertänderung von Anrechten […] nicht allein auf solche Umstände stützen, die für ihn an sich unvorteilhaft sind, im Ergebnis der Totalrevision aber wegen der erstrebten Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG zu einem Wegfall des Versorgungsausgleichs insgesamt führen sollen“ (Leitsatz b).

Anders wäre die Situation wohl zu beurteilen, wenn auch die verstorbene Ehefrau über eine betriebliche Altersversorgung verfügt hätte, die eine wesentliche Wertänderung nach Ehezeitende aufweist. In diesem Fall wäre der Einstieg in das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG wohl selbst dann eröffnet, wenn der Wert dieses Anrechts im Vergleich zu den übrigen Anrechten deutlich geringer ausfallen würde. Der frühere Ehemann könnte dann ab Antragstellung wieder eine ungekürzte Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen.