Mit dem „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts und zur Übertragung von Aufgaben an die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ vom 20.7.2022 wird neben verschiedenen weiteren arbeitsrechtlich relevanten Gesetzen wie dem Teilzeit- und Befristungsgesetz auch das für die betriebliche Altersversorgung relevante Nachweisgesetz (NachwG) geändert.
I. Bisheriger Stand
Arbeitgeber hatten schon vor den aktuellen Änderungen des NachwG spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dazu gab das Gesetz in § 2 NachwG a.F. Mindestanforderungen vor, z.B. nach Ziffer 6 die Angabe der Zusammensetzung und der Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge und anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, oder nach Ziffer 10 einen in allgemeiner Form gehaltenen Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Dabei war der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ausgeschlossen.
II. Gesetzgebungsverfahren
Die europäischen Vorgaben verpflichten den deutschen Gesetzgeber nun dazu, den Katalog der nachzuweisenden Vertragsbedingungen im NachwG zu erweitern. Gleichzeitig eröffnet die genannte Richtlinie aber auch die Möglichkeit, die Form des Nachweises zu erleichtern – die elektronische Form ist europarechtlich möglich (vgl. Artikel 3 der Richtlinie). Da die Regierungskoalition sich die Digitalisierung auf die Fahne geschrieben hatte, wurde allgemein erwartet, dass im Rahmen der Richtlinienumsetzung die elektronische Form des Nachweises ausdrücklich zugelassen werden würde. Tatsächlich aber wird insbesondere weiterhin vorgegeben, dass die elektronische Form für den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nicht ausreicht. Und um dem noch mehr Nachdruck zu verleihen, wird in § 4 NachwG n.F. eine Vorschrift eingeführt, mit der auch ein Verstoß gegen die Formvorschriften mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 Euro geahndet werden kann.
III. Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Wie schon bisher haben Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG n.F.). Aufgrund des Ausschlusses der elektronischen Form gilt zu beachten, dass weiterhin die praktischen portalbasierten Lösungen (mit qualifizierter Signatur) nicht den Anforderungen genügen. Außerdem haben Arbeitgeber den erweiterten Mindestinhalt zu berücksichtigen. Für die betriebliche Altersversorgung und auch für Zeitwertkontenmodelle sind wohl jedenfalls auch die Angaben im neuen § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 und die neue Nr. 13 NachwG relevant:
- Aufzunehmen in der Niederschrift (Nr. 7 NachwG n.F.) sind die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung. [Änderungen fett]
- Neu aufzunehmen sind im Ergebnis der Name und die Anschrift einer Unterstützungskasse, wenn dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt wird (Nr. 13 NachwG n.F.).
Aus dem Gesetz sind hierzu noch weitere Besonderheiten ersichtlich, beispielsweise
- wann die Angaben zu erfolgen haben (§ 2 Abs. 1 S. 4 NachwG n.F.),
- dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag, der sämtliche geforderte Angaben enthält, die Anforderungen des NachwG erfüllt (§ 2 Abs. 5 NachwG n.F.),
- dass einige Angaben (darunter § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 und Nr. 13 NachwG n.F.) durch einen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen ersetzt werden können – wobei dieser Hinweis wiederum in der erforderlichen Form erfolgen muss (§ 2 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 S. 2 Nr. 15 NachwG n.F.),
- dass auch eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich mitzuteilen ist, außer es ändern sich nur die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen (§ 3 NachwG n.F.), und
- dass die Regelungen zur Aushändigung der Niederschrift der geforderten Angaben für neue Arbeitsverhältnisse ab dem 1.8.2022 ohne Übergangsvorschriften gelten; für Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem 1.8.2022 bestanden, muss die Niederschrift innerhalb von sieben Tagen nach entsprechender Aufforderung durch den Mitarbeiter ausgehändigt werden (§ 5 NachwG n.F.).
Möchte man nun noch einen Schritt weiter gehen und konkreten Handlungsbedarf im Bereich der betrieblichen Altersversorgung herleiten, befindet man sich in einem Gebiet voller Rechtsunsicherheiten, denn auch die Gesetzesbegründung bietet hierzu keine relevanten Hinweise.
Zwar hat das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) noch vor der Gesetzesverkündung zumindest in einem Schreiben an die aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. seine Auffassung bekundet, dass das NachwG auf Betriebsrenten in der speziellen Form der Entgeltumwandlung nicht anwendbar sei. Offen bleiben aber folgende Fragen:
- Welche Bindungswirkung hat die Klarstellung des BMAS und welches Risiko besteht (vor den Gerichten), wenn der Arbeitgeber darauf basierend hinsichtlich der Entgeltumwandlung die Anforderungen des NachwG nicht umfassend erfüllt?
- Inwieweit fällt die betriebliche Altersversorgung dann noch unter § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG n.F.?
- Soweit der Anwendungsbereich (u.a. des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG n.F.) eröffnet ist und die Angaben aber durch einen zulässigen Hinweis auf die einschlägigen Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge ersetzt wurde, sind Arbeitgeber dann im Ergebnis frei von sämtlichen Nachweispflichten, auch bei Änderungen auf individueller Ebene?