Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Leistungsvoraussetzung für die betriebliche Invaliditätsrente (BAG-Urteil vom 10.10.2023, 3 AZR 250/22 u.a. im Anschluss an das BAG-Urteil vom 13.7.2021, 3 AZR 298/20)

Das BAG hatte im Oktober letzten Jahres darüber zu entscheiden, inwieweit eine Versorgungsordnung die betriebliche Invalidenrente davon abhängig machen darf, dass der Arbeitnehmer eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht und rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.

Das BAG kommt zu dem Ergebnis, dass unter den in diesem Fall vorliegenden Umständen, in denen neben dem Ausscheiden letztlich nur an den Bezug einer Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angeknüpft werde und der Arbeitgeber nicht über einen eigenen Prüfungszeitraum den Leistungsbeginn der betrieblichen Invalidenrente verzögern könne, die Abhängigkeit zulässig sei. Dabei weist das BAG auch darauf hin, dass diese Entscheidung dem Urteil vom 13.7.2021 aufgrund unterschiedlicher Fallkonstellationen (der Arbeitnehmer musste dort das Arbeitsverhältnis beenden, ohne zu wissen, ob er einen Anspruch auf die betriebliche Invaliditätsversorgung hatte) nicht widerspreche.

Entscheidend für eine wirksame Klausel, welche die betriebliche Invalidenrente (auch) vom Ausscheiden abhängig mache, sei im Ergebnis, ob Arbeitnehmer gezwungen seien, über ihr Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt verbindlich zu disponieren und dieses aufzugeben, zu dem noch gar nicht feststehe, ob die Voraussetzungen für ihre betriebliche Invalidenrente erfüllt seien oder wie lange der Arbeitgeber für eine Entscheidung über die materiellen Voraussetzungen der betrieblichen Invalidenrente benötige. In diesen Fällen liege grundsätzlich eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmer und damit eine unwirksame Klausel vor, die jedoch regelmäßig durch eine ergänzende Vertragsauslegung (ggf. rückwirkende betriebliche Invalidenrente bei entsprechender Antragstellung) geschlossen werden könne (so im Urteil vom 13.7.2021).

Wenn hingegen Arbeitnehmer (wie im Urteil vom 10.10.2023) mit der Bewilligung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente alle relevanten Umstände (gesundheitliche Situation, persönliche Verhältnisse, Rentenverfahren) kennen, können sie diese bewerten und auf ihrer Grundlage entscheiden, ob und wie lange sie am Arbeitsverhältnis festhalten wollen. Die notwendige Beendigung des Arbeitsverhältnisses benachteilige den Arbeitnehmer dann nicht unangemessen, da das Arbeitgeberinteresse, Doppelleistungen zu vermeiden sowie Planungssicherheit für den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers zu haben, dem Interesse des Arbeitnehmers, autonom darüber zu entscheiden, ob er ein Arbeitsverhältnis beibehalten oder aufgeben, zumindest gleichgewichtig sei (Abwägungsentscheidung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes).

Aktualisierung: Mit dem Urteil vom 21. November 2023 (3 AZR 14/23) bestätigt das BAG seine Rechtsprechung aus den oben genannten Entscheidungen.

Auch in dem neueren Urteil entscheidet das BAG, dass die nach der Versorgungszusage erforderliche rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls dann nicht unverhältnismäßig in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl der Arbeitnehmer eingreife, wenn die Invalidität durch den Rentenbescheid des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers nachgewiesen ist.

Während Prüfungsmaßstab der früheren Entscheidungen das AGB-Recht war, handele es sich bei der neuesten Entscheidung um eine Betriebsvereinbarung, womit keine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, sondern eine Prüfung nach § 75 Abs. 1 BetrVG (betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz) stattzufinden habe (Rn. 14f.). Die Ausführungen des BAG zur Abwägungsentscheidung decken sich dabei mit denen aus dem BAG-Urteil vom 10.10.2023.

Darüber hinaus stellt das BAG klar, dass die Entscheidung auch dann gelte, wenn die gesetzliche Erwerbsminderungsrente – wie regelmäßig – nur befristet bewilligt wurde, und im Übrigen der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet sei, einen zeitlichen Gleichklang mit dem rückwirkenden Bezugsbeginn der sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsminderungsrente herzustellen (Rn. 22f.). Weiterhin bestätigt das BAG, dass die Leistungsvoraussetzung „Ausscheiden aus den Diensten“ auch in Betriebsvereinbarungen regelmäßig bedeute, dass damit eine endgültige, rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht nur ein vorübergehendes Ruhen der Hauptleistungspflichten gemeint sei (Rn. 13). Wenn ein Arbeitgeber davon absehe, die Begriffe „berufsunfähig“ und „erwerbsunfähig“ (bis zum 31. Dezember 2000 maßgebliche Begriffe für die gesetzliche Rentenversicherung) in seiner Versorgungszusage selbst zu definieren, wolle er damit in der Regel die sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten übernehmen (dynamische Bezugnahme auf das jeweils geltende Sozialversicherungsrecht; Rn. 12).