Bildung einer Pensionsrückstellung bei einer Pensionszusage unter Vorbehalt (BFH-Urteil vom 6.12.2022, IV R 21/19)

Für eine Pensionsverpflichtung aus einer Direktzusage darf eine Rückstellung nur gebildet werden, wenn und soweit die Anforderungen des § 6a Abs. 1 EStG erfüllt sind. Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG darf die Zusage keinen Widerrufsvorbehalt enthalten oder ein solcher Vorbehalt sich nur auf Tatbestände erstrecken, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung oder ein Entzug der Anwartschaft oder der Leistungen zulässig ist (vgl. die steuerunschädlichen Mustervorbehalte in den Einkommensteuerrichtlinien R 6a (4)).

In dem aktuellen Urteil setzt sich der BFH neben gesellschafts- bzw. prozessrechtlichen Fragestellungen mit den genauen Anforderungen an einen steuer(un)schädlichen Vorbehalt einer aus dem Jahr 2003 stammenden Versorgungsordnung auseinander.

Gemäß der Versorgungsordnung ergibt sich die Höhe der betrieblichen Versorgungsleistung aus Versorgungsbausteinen, welche mittels einer Transformationstabelle unter Berücksichtigung u.a. einer Verzinsung berechnet werden können. Die Transformationstabelle und der Zinssatz konnten einseitig durch die Firma erstmals ab 2008 durch eine nachfolgende Transformationstabelle ersetzt werden, wobei nach der Versorgungsordnung ausdrücklich „das in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG normierte Gebot der Wertgleichheit zu beachten“ war. Im Falle einer solchen Ersetzung wären „der nachfolgende Zinssatz und die nachfolgende Transformationstabelle […] Grundlage aller Versorgungsbausteine [geworden], die zum Zeitpunkt der Ersetzung noch nicht zugeteilt wurden“ (Rn. 3). Diese Regelung einschließlich des einseitigen Änderungsrechts wurde zum 1.1.2011 ersatzlos gestrichen (Rn. 4).

Das Finanzamt vertrat bezüglich der Streitjahre 2004 bis 2007 die Auffassung, dass aufgrund eines steuerschädlichen Vorbehalts die Anforderungen an § 6a EStG nicht erfüllt seien und vereinbarte, dass die bisher ausgewiesenen Rückstellungen nur mit Abschlägen anzusetzen seien (Rn. 5 bzw. Rn. 47 in Bezug auf den dadurch festgelegten Streitgegenstand).

Der BFH folgt dieser Ansicht: Die streitbefangene Pensionszusage erfülle in den Streitjahren nicht die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG (Rn. 24).

Die Urteilsbegründung setzt sich dabei ausführlich, insbesondere durch Auslegung der gesetzlichen Regelung, mit den Anforderungen an einen steuer(un)schädlichen Vorbehalt im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG auseinander. Unter Beachtung des Willens des Gesetzgebers solle ein Vorbehalt nur dann zulässig sein, wenn er sich auf bestimmte Tatbestände erstrecke, „bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens, d.h. unter verständiger Abwägung der berechtigten Interessen des Pensionsberechtigten einerseits und des Unternehmens andererseits […], eine Minderung oder ein Entzug der Pensionsanwartschaft oder der Pensionsleistung zulässig ist“. Da die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, an die der Gesetzgeber anknüpfe, den Widerruf nur für bestimmte Fallkonstellationen und unter Berücksichtigung der Interessenabwägung zulasse, lägen zulässige Konstellationen nur in Ausnahmefällen vor und hätten damit auch kein allgemein lastminderndes Gewicht, sodass die Zulässigkeit eines solchen Vorbehalts insbesondere nicht erst durch einen Abschlag von der sich ohne Vorbehalt ergebenden Rückstellung herbeigeführt werden müsse (Rn. 27f.).

Auch aufgrund des in § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG normierten Schriftformerfordernisses sei es im Übrigen zur steuerlichen Unschädlichkeit notwendig, dass ein Vorbehalt positiv (d.h. ausdrücklich) einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiere, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Anwartschaft oder Leistung gestatte (Rn. 30). Steuerschädlich seien folglich „uneingeschränkte Widerrufsvorbehalte, hinsichtlich deren Zuordnung Zweifel bestehen und deren arbeitsrechtliche Anerkennung dem Grunde und dem Umfang nach nicht von vorneherein eindeutig zu bejahen ist und bzw. oder deren Gültigkeit und Reichweite im Einzelfall noch nicht zur arbeitsgerichtlichen Prüfung gestellt wurden“ (Rn. 32).

Nach diesen Maßstäben entspreche die Pensionszusage nicht den Anforderungen des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG, da die Firma die Zusage nach freiem Ermessen ändern könne (Rn. 36f.). Dieses Ergebnis ergebe sich durch den eindeutigen Wortlaut des Vorbehalts, wodurch der Anwendungsbereich für die Auslegungsvorschrift des § 315 Abs. 1 BGB, d.h. die Bestimmung nach billigem Ermessen, nicht eröffnet sei (Rn. 39) und zudem der Zusage auch keine Einschränkung durch den Bezug auf das Wertgleichheitsgebot entnommen werden könne (Rn. 42). Der Vorbehalt normiere nicht positiv einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand. Unerheblich sei dabei, dass die Ersetzungsbefugnis noch nicht in den Streitjahren bestand, da die abstrakte Möglichkeit genüge, dass aufgrund des Vorbehalts Abschläge auf die zu bildende Pensionsrückstellung nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden könnten (Rn. 44). Auch der Bezug auf das Wertgleichheitsgebot lasse den Vorbehalt nicht einer in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe zuordnen, vielmehr liege eine (nicht ausreichende) dynamische Verknüpfung mit dem Arbeitsrecht vor (Rn. 46).

Nach diesem Urteil sollten die gebräuchlichen, in den Einkommensteuerrichtlinien formulierten und dort als steuerunschädlich bezeichneten Vorbehalte weiter verwendet werden können. Vorsicht ist aber geboten, wenn in der Pensionszusage dem Arbeitgeber ausdrücklich ein Recht eingeräumt wird, die Zusage einseitig zu ändern. Derartige Regelungen sind zur Berücksichtigung von künftigen Veränderungen bei der Lebenserwartung oder eines geänderten Zinsumfelds zwar naheliegend, etwa bei der Umrechnung von Beiträgen in Leistungsbausteine oder bei der Verrentung eines Kapitalbetrags. Sie können aber, wie im betrachteten Fall, zu einer Gefährdung der steuerlichen Rückstellungsbildung führen, wenn sie die Änderungsmöglichkeiten des Arbeitgebers nicht durch eine geeignete Billigkeitsprüfung einschränken (vgl. etwa den steuerunschädlichen Vorbehalt von R 6a (4) S. 3 Nr. 1 EStR).