Gleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmern (BAG-Urteil vom 23.2.2021, 3 AZR 618/19)

Das BAG stellt in dem genannten Urteil fest, dass es gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, wenn Tarifvertragsparteien regelhafte und verstetigte Zusatzarbeit bei Teilzeitarbeitnehmern nicht für betriebsrentenfähig erklären, die für gleiche Arbeitszeit an Vollzeitarbeitnehmer gezahlte Grundvergütung dagegen schon.

Die Parteien waren sich uneinig, welches rentenfähige Einkommen der Berechnung der Betriebsrente des klagenden Arbeitnehmers zugrunde zu legen ist. Für das Arbeitsverhältnis galt ein „Teilzeitvertrag zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall“ (Arbeit auf Abruf), der einen „Einsatzumfang“ von 40 Stunden pro Monat (Grundarbeitszeit) festlegte; gleichzeitig gingen die Parteien jedoch von Mehrarbeit aus. Tatsächlich arbeitete der Kläger auch deutlich mehr als die vertraglich vereinbarte Grundarbeitszeit, sodass sein tatsächlicher Arbeitsumfang etwa dem eines Vollzeitmitarbeiters entsprach. Nach dem maßgeblichen Tarifvertrag wird die Betriebsrente bis einschließlich 2015 aber nur auf Grundlage des rentenfähigen Einkommens für die vertraglich vereinbarte Grundarbeitszeit berechnet.

Das BAG hält diese tarifvertragliche Regelung für teilnichtig, da sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, der „als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie“ bilde (Rz. 39). Arbeitnehmer mit einem „Teilzeitvertrag zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall“, die jedoch regelmäßig dieselbe Arbeitszeit wie ein Vollzeitarbeitnehmer erbringen, dürften folglich bei der Bemessung der Betriebsrente nicht dadurch unterschiedlich behandelt werden, dass die Vergütung für ihre regelmäßige Mehrarbeit nicht rentenwirksam ist (Rz. 45).

Der Kläger habe daher einen Anspruch auf eine Betriebsrente, bei deren Berechnung die Vergütung nicht für die Grundarbeitszeit, sondern für die tatsächlich geleisteten Stunden, begrenzt auf die Stunden eines Vollzeitarbeitnehmers, zugrunde zu legen sei.

Das BAG beachtet in seinem Urteil durchaus, dass die Tarifvertragsparteien als selbständige Grundrechtsträger bei ihrer Normsetzung einen weiten Gestaltungsspielraum haben und dass Generalisierungen und Typisierungen durch die Tarifvertragsparteien zulässig sind (Rz. 56ff.). Der allgemeine Gleichheitssatz komme danach zum Tragen, weil bei der entscheidenden Regelung unterschiedliche Gruppen gebildet werden, nämlich die „Arbeitnehmer auf Abruf“ und die Arbeitnehmer mit fest vereinbarter Arbeitszeit. Die Ungleichbehandlung zwischen den Gruppen sei auch trotz der bestehenden Besonderheiten nicht gerechtfertigt, insbesondere wiege sie aufgrund der im vorliegenden Fall erheblich reduzierten Betriebsrente schwer. Zudem sei eine einfache (zulässige) Lösung naheliegend: Entsprechend der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hätte bei der Bemessungsgrundlage statt auf die regelmäßige Arbeitszeit auf die Grundarbeitszeit abgestellt werden können. Denn auch dort liegen keine (bei der Berechnung nicht zu beachtenden) Überstunden vor, wenn die Mehrarbeit ständig geleistet wird, sodass die tatsächliche Arbeitszeit der Berechnung zugrunde zu legen ist. Diese vom BAG erläuterten Grundsätze gelten sowohl dann, wenn der Tarifvertrag kraft beidseitiger Tarifbindung verbindlich ist, als auch bei einer einzelvertraglichen Bezugnahme auf den Tarifvertrag (Rz. 71).

In allen Fällen, in denen Teilzeitarbeitskräfte zwar formal Teilzeit arbeiten, praktisch aber die Arbeitsleistung einer Vollzeitkraft erbringen, sollte grundsätzlich keine unterschiedliche Behandlung erfolgen. Regelungen, die eine entsprechende Differenzierung vornehmen, sollten auf ihre Zulässigkeit überprüft werden. Die Bestimmungen des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) sind in diesem Zusammenhang ebenfalls zu beachten, auch wenn sie im vorliegenden Fall vom Gericht nicht angewandt wurden.