Überversorgung und Anwartschaftstrend (BFH-Urteil vom 31.7.2018, VIII R 6 / 15)

Der BFH beschäftigt sich in seinem Urteil vom 31.7.2018 mit der betrieblichen Veranlassung von Pensionszusagen, deren Fehlen den Betriebsausgabenabzug verhindert. Insbesondere befasst es sich mit der Beurteilung von in der Zusage angelegten Anwartschaftssteigerungen, die zur sogenannten Überversorgung führen und die Verweigerung der steuerlichen Anerkennung zur Folge haben können.

Die Entscheidung behandelt lediglich die Überversorgung aus steuerlicher Sicht, so dass die arbeitsrechtliche Überversorgung und gegebenenfalls bestehende Kürzungsmöglichkeiten davon nicht berührt werden.

I. Überversorgung

Die betriebliche Veranlassung einer Pensionszusage wird insbesondere dann in Frage gestellt, wenn eine Überversorgung vorliegt. In einem solchen Fall einer überhöhten zugesagten Leistung wird vermutet, dass in der Zusage künftige Einkommenssteigerungen vorweggenommen werden sollen, womit das Stichtagsprinzip des § 6a EStG (bei Direktzusagen) umgangen würde. Im Hintergrund steht wohl die Vorstellung einer endgehaltsabhängigen Pensionszusage mit einem Versorgungsziel von x % des letzten Entgelts vor Eintritt des Versorgungsfalls, für die steuerlich jeweils nur das am Bilanzstichtag feststehende Entgelt berücksichtigt werden darf, obwohl für die Zukunft Entgeltsteigerungen und damit auch eine höhere Pension zu erwarten sind. Der Versuch, von vorneherein eine höhere feste, also vom jeweiligen Gehalt unabhängige, Leistung zuzusagen und damit höhere steuerlich berücksichtigungsfähige Betriebsausgaben zu erreichen, wird dann als Überversorgung angesehen und führt zur Kürzung der Betriebsausgaben.

Eine Überversorgung kann dadurch entstehen, dass eine feste Leistung in einer Höhe zugesagt wird, die als Vorwegnahme künftiger Entgeltsteigerungen interpretiert wird. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die zugesagte Pensionshöhe einschließlich der Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % des aktuellen Gehaltes am jeweiligen Bilanzstichtag übersteigt. Dabei handelt es sich um eine typisierende Annahme, die unabhängig von der Motivation für die Zusage und vom Bestehen einer Umgehungsabsicht ist; ebenso ist die arbeitsrechtliche Zulässigkeit einer Kürzung der zugesagten Pension nicht erheblich (BFH-Urteil vom 27.3.2012, I R 56/11, Rn. 16f.).

Auch durch eine festgelegte Steigerung der Leistungshöhe, etwa um einen bestimmten Prozentsatz pro Dienstjahr, kann eine Überversorgung eintreten, da fest zugesagte Leistungssteigerungen bei der Berechnung des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs zunächst berücksichtigt werden müssen und ebenfalls als Vorwegnahme künftiger Entgeltsteigerungen angesehen werden können.

II. Anwartschaftsdynamik

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber eine zunächst feste Altersrente zugesagt, die durch Zuwendungen an eine Unterstützungskasse finanziert wurde und deren Höhe für jedes künftige Dienstjahr um 5 % ansteigen sollte. Streitig ist die betriebliche Veranlassung der Zuwendungen in Hinblick auf eine mögliche Überversorgung.

Der BFH stellt zunächst fest, dass für die Zuwendungen an eine Unterstützungskasse hinsichtlich ihrer betrieblichen Veranlassung dieselben Maßstäbe gelten wie bei einer Direktzusage (§ 4d Abs. 1 S. 1 EStG). Demnach dürfen „mit Blick auf das auch im Rahmen des 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb EStG geltende Stichtagsprinzip mögliche oder wahrscheinliche Änderungen der Bemessungsgrundlage der Anwartschaft steuerlich nicht berücksichtigt werden” (Rn. 12). Die genannte Regelung in § 4d EStG begrenzt die jährliche Zuwendungshöhe für einen Anwärter auf 25 % der jährlichen erreichbaren Versorgungsleistungen, wobei auf die Verhältnisse am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres abgestellt wird.

Unter Bezug auf seine frühere Rechtsprechung zur Überversorgung bei Direktzusagen sieht der BFH die Grenze einer Überversorgung typisierend als erreicht an, „wenn die Versorgungsanwartschaft zusammen mit der Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt” (Rn. 14). Dabei sei eine fest zugesagte Anwartschafts- oder Rentendynamik bei der Prüfung der 75 % – Grenze für die Überversorgung nicht immer unbeachtlich, da andernfalls „die Überversorgungsgrenzen mittels fest zugesagter jährlicher prozentualer Steigerungen unbegrenzt nach oben verschoben werden” können (Rn. 15).

Wenn die Versorgung selbst ohne Berücksichtigung der Anwartschaftsdynamik bereits die 75 % – Grenze überschreitet, so „kann ein zusätzlicher Ausgleich künftig ansteigender säkularer Einkommenstrends um einen festen Prozentsatz nur in einem moderaten Umfang anerkannt werden. Er darf die Überversorgung rechnerisch nur unwesentlich beeinflussen und deshalb in Grenzbereichen jedenfalls nicht mehr als 3 % jährlich betragen”. Ein Anwartschaftstrend bis regelmäßig maximal 3 % nehme dagegen „keinen Einfluss auf das Vorliegen einer Überversorgung“ (Rn. 16). Wenn ein Anwartschaftstrend von mehr als 3 % vorliege, so könne dies bei der Prüfung einer Überversorgung zu berücksichtigen sein, selbst wenn ohne Berücksichtigung der Dynamik die Versorgung nur „im Grenzbereich von 75 %” liege (Rn. 17).

Hier ist zu beachten, dass neben dem Vorliegen einer Überversorgung auch das Ausmaß der Überversorgung für die steuerlichen Konsequenzen wichtig ist, da eine Betriebsausgabenkürzung diesem Ausmaß entsprechend erfolgt. Im vorliegenden Fall schließt sich der BFH der Rechnung des Finanzamts an und stellt unter Berücksichtigung der künftigen Anwartschaftsdynamik eine Überversorgung der beiden Arbeitnehmer von ca. 140 % bzw. 203 % fest, was zu einer beträchtlichen Verringerung der steuerlich anerkannten Betriebsausgaben führt.

Es sei nämlich „jedenfalls dann, wenn sich die zugesagte Versorgung ohne Berücksichtigung der Dynamisierung im Grenzbereich von 75 % bewegt, die Dynamisierung deutlich über 3 % liegt, sie das Versorgungsniveau rechnerisch nicht nur unwesentlich beeinflusst und sich unter Einbeziehung der Dynamisierung insgesamt ein Versorgungsniveau von deutlich über 75 % ergibt, typisierend davon auszugehen, dass auch der Dynamisierungsbetrag einen Ausgleich für künftig steigende Einkommenstrends darstellt und dieser insgesamt in die Ermittlung der Überversorgung einzubeziehen ist” (Rn. 18), was zur (weiteren) Kürzung der Betriebsausgaben führt.

III. Schlußfolgerungen

Auch wenn das Urteil für sich genommen wegen der nur ungefähren Begriffe wie „Grenzbereich von 75%” oder „deutlich über 75%” schwer zu verallgemeinern ist, lässt sich doch daraus ableiten, dass zur Beurteilung, ob eine Pensionszusage zu einer Überversorgung führt, grundsätzlich die Gesamtumstände inklusive der künftigen Anwartschaftssteigerungen in die Betrachtung einzubeziehen sind und nicht allein auf die aktuelle Situation am Bilanzstichtag abgestellt werden kann. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung wird steuerlich höchstens ein Versorgungsniveau von 75% akzeptiert. Insbesondere sind hierbei wohl künftige Anwartschaftssteigerungen von mehr als 3% regelmäßig zu berücksichtigen.