Uneingeschränkte Maßgeblichkeit der 3-Stufen-Theorie bei Betriebsübergängen (BAG-Urteil vom 22.10.2019, 3 AZR 429/18)

In seinem Urteil vom 22.10.2019 stellt das BAG klar, dass die im Rahmen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entwickelte sogenannte 3-Stufen-Theorie vollumfänglich auch im Falle eines Betriebsüberganges nach § 613a BGB anzuwenden ist. Soweit früherer BAG-Rechtsprechung anderes entnommen werden könnte, hält der 3. Senat daran ausdrücklich nicht mehr fest (Rn. 79).

Im vorliegenden Fall wurde die betriebliche Altersversorgung des ehemaligen Arbeitgebers des klagenden Betriebsrentners vor der Verschmelzung mit der Beklagten durch eine Betriebsvereinbarung geregelt. Da mit der Verschmelzung auch ein die Betriebsidentität wahrender Betriebsübergang vorlag, galt diese Betriebsvereinbarung zunächst bis zu einer späteren Umstrukturierung kollektivrechtlich unmittelbar und zwingend weiter (Rn. 46). Mit der Umstrukturierung stieß die beim Veräußerer geltende Betriebsvereinbarung auf die offene betriebliche Versorgungsregelung des Erwerbers, die grundsätzlich dazu geeignet war, die Regelung des Veräußerers abzulösen (Rn. 48ff.). Jedoch stellt das BAG fest, dass dies einen Eingriff in die dritte Besitzstandsstufe bedeutet hätte und hierfür keine anerkennenswerte Gründe vorlagen. In diesem Zusammenhang stellt das BAG klar, dass alleine das Bestreben zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung beim Erwerber keinen ausreichenden Grund für einen Eingriff in die dritte Besitzstandsstufe darstellt (Rn. 78). Entsprechend den Ausführungen des BAG können im Falle eines Betriebsüberganges die Möglichkeiten eines Erwerbers zur Ablösung betrieblicher Regelungen nicht über die Regelungsmöglichkeiten des Veräußerers hinausgehen (Rn. 70ff.), allein die Umstände beim Erwerber treten dabei an die Stelle der Umstände beim Veräußerer (Rn. 72).

Allerdings war im konkreten Fall eine von den Tarifvertragsparteien unterschriebene Erklärung des Vorstandes der Beklagten in der Auslegung als Tarifvertrag einzuordnen, so dass die zwischen den Betriebsparteien geschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung zur Ablösung der Versorgungsregelung des Veräußerers insoweit wirksam ist, als sie dem Wortlaut dieses Tarifvertrages entspricht (Rn. 30 und Rn. 82ff.). Die Wirksamkeit umfasst hierbei eine konkretisierende Beschreibung der im vorliegenden Gesamtversorgungssystem anzurechnenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Rn. 124ff.), jedoch nicht die Definition der anzurechnenden Höhe der Sozialversicherungsrente für zukünftige Dienstzeiten, da diese nicht vom Wortlaut des Tarifvertrages gedeckt sei (Rn. 111ff.).  

Im Ergebnis verweist das BAG den Fall zurück an das zuständige LAG, welches nunmehr nach Maßgabe der dargestellten Grundsätze und der festgestellten Teilunwirksamkeit die konkrete Anspruchshöhe der Betriebsrente des Klägers neu festzustellen hat (Rn. 129).

Damit werden die Möglichkeiten des erwerbenden Arbeitgebers, nach einem Betriebsübergang eine einheitliche betriebliche Altersversorgung zu erreichen, deutlich eingeschränkt. Das BAG hält fest, „dass allein das Interesse des Arbeitgebers, nach einem Betriebsübergang unterschiedliche Versorgungsordnungen vereinheitlichen zu wollen, als Sachgrund für eine Verschlechterung von Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung nicht – auch nicht für Eingriffe in die weiteren dienstzeitabhängigen Zuwächse – genügt. Vielmehr müssen weitere Voraussetzungen für diesen Sachgrund erfüllt sein“ (Rn. 78). An seinen früheren, teilweise entgegenstehenden Urteilen vom 24.7.2001 (3 AZR 660/00) und vom 29.7.2003 (3 AZR 630/02) hält das BAG ausdrücklich nicht mehr fest (Rn. 79).