Versorgungsausgleich: Berücksichtigung von Anwartschafts- und Rententrends sowie Schutz des Ausgleichspflichtigen vor übermäßiger Kürzung (BGH-Beschluss vom 7.3.2018, XII ZB 408/14)

Der BGH bestätigt mit seinem Beschluss vom 7.3.2018 die herrschende Meinung zum Umgang mit einer nachehezeitlichen Anwartschaftsveränderung aufgrund eines gestiegenen Einkommens bei der Teilung von laufenden Renten aus endgehaltsabhängigen Pensionszusagen, entscheidet die lange diskutierte Frage zur Berücksichtigung der Rentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG und befasst sich mit dem Schutz des Ausgleichspflichtigen bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs.

I. Umgang mit der nachehezeitlichen Anwartschaftsdynamik bei der Teilung von laufenden Renten aus endgehaltsabhängigen Zusagen

Der BGH schließt sich der überwiegend vertretenen Meinung an, dass die nachehezeitliche Anwartschaftsdynamik aufgrund der Einkommensentwicklung bereits im Wertausgleich bei der Scheidung zu berücksichtigen ist, sofern diese Veränderung der Anwartschaftshöhe zwischenzeitlich unverfallbar geworden ist und bereits in der Ehezeit angelegt wurde (Rn. 23ff.). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Insbesondere bedeutet dies, dass bei der Berücksichtigung der nachehezeitlichen Anwartschaftsentwicklung danach zu unterscheiden ist, inwieweit diese auf einer nachehezeitlichen Karriere oder aber nur auf der allgemeinen Lohnsteigerung beruht. In der Praxis kann diese Aufteilung der Anwartschaftsdynamik gerade bei einer langen Zeitspanne zwischen dem Ende der Ehezeit und der Durchführung des Versorgungsausgleichs durchaus mit schwierigen Auslegungs- und Dokumentationsfragen verbunden sein. In seiner Entscheidung setzt sich der BGH mit den zuletzt veröffentlichten Argumenten gegen eine Berücksichtigung der nachehezeitlichen Anwartschaftsdynamik auseinander und begründet ausführlich, warum er diesen im Ergebnis nicht beitritt (Rn. 26ff.).

Der BGH befasst sich in seiner Entscheidung lediglich mit einer Veränderung der Anwartschaftshöhe nach Ende der Ehezeit, die aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen Versorgungsfalls unverfallbar geworden ist. Damit bleibt offen, ob die nachehezeitliche Anwartschaftsdynamik auch dann zu berücksichtigen ist, wenn der Ausgleichspflichtige zwischenzeitlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, ohne dass der Versorgungsfall eingetreten wäre. Für eine Einbeziehung würde die Tatsache sprechen, dass die nachehezeitliche Anwartschaftsveränderung mit dem Ausscheiden des Ausgleichspflichtigen i.d.R. ebenfalls bereits unverfallbar geworden ist. Gegen eine Einbeziehung lässt sich damit argumentieren, dass bis zum Eintritt des Versorgungsfalls eine Reihe weiterer rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen eintreten und auf den Ehezeitanteil zurückwirken können, was gegen eine isolierte Berücksichtigung der nachehezeitlichen Anwartschaftsdynamik sprechen könnte. Ob und ggf. im welchem Umfang die nachehezeitliche Anwartschaftsdynamik im Versorgungsausgleich bei der Scheidung zu berücksichtigen ist, unterliegt im Einzelfall jedenfalls der Entscheidung des Familiengerichtes und nicht des Versorgungsträgers. Dieser dürfte nur dazu verpflichtet sein, die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen und die Entscheidung des Gerichtes entsprechend der Tenorierung umzusetzen.

II. Rentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG

Hinsichtlich der Berücksichtigung der Verpflichtung zur Rentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG schließt sich der BGH ebenfalls der herrschenden Meinung an, wonach diese sowohl bei der internen wie bei der externen Teilung bei der Ermittlung des Ausgleichswertes zu berücksichtigen ist, auch wenn keine Rentenanpassung nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG garantiert ist (Rn. 48ff.). Damit klärt er eine Frage, die seit der Neuordnung des Versorgungsausgleichs kontrovers diskutiert wurde.

III. Schutz des Ausgleichspflichtigen bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs

Mit dem Schutz der Interessen des Ausgleichspflichtigen im Versorgungsausgleich widmet der BGH einem von den Familiengerichten bislang eher am Rande gestreiften Aspekt einen eigenen Abschnitt (Rn. 37-45) und beleuchtet diesen Sachverhalt – soweit ersichtlich – erstmals systematisch.

Aus dem Halbteilungsgrundsatz folgt, dass zum Schutz des Ausgleichspflichtigen zu gewährleisten ist, dass dessen Versorgung bei der Umsetzung des Versorgungsausgleichs nicht um mehr als die Hälfte des Ehezeitanteils gekürzt wird. Allerdings ist insoweit die Aufgabenverteilung zwischen den Familiengerichten und den Fachgerichten, die der Ausgleichspflichtige im Streit mit seinem Versorgungsträger um die Kürzung seines Anrechts anrufen kann, noch nicht abschließend geklärt:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entfaltet eine rechtskräftige Entscheidung über die interne Teilung eines betrieblichen Anrechts auf der Grundlage einer vom Familiengericht herangezogenen und rechtlich überprüften Teilungsordnung für das nachfolgende arbeitsgerichtliche Verfahren zwischen dem Ausgleichspflichtigen und dem Versorgungsträger Bindungswirkung zu der sich nach der Teilungsordnung ergebenden Berechnungsmethode für den Kürzungsbetrag […]. Die fachgerichtliche Kontrolle durch die Arbeitsgerichte beschränkt sich hiernach darauf, ob der Versorgungsträger die Kürzung der Versorgung teilungsordnungsgemäß berechnet und umgesetzt hat” (Rn. 40).

Die Annahme einer solchen Bindungswirkung sieht der BGH im Falle der internen Teilung offensichtlich nicht als unkritisch an und weist sie für die externe Teilung eines Anrechts sogar klar zurück (Rn. 42). Die Wirkung der familiengerichtlichen Entscheidung in Bezug auf das auszugleichende Anrecht bei einer externen Teilung beschränke sich von vornherein auf die Anordnung der Teilung und die Festsetzung des an den Zielversorgungsträger zu zahlenden Betrags. Sofern eine Teilungsordnung keine genaue Beschreibung zur Berechnung des Kürzungsbetrages enthält, könne auch bei einer internen Teilung keine Bindungswirkung der familiengerichtlichen Entscheidung entstehen (Rn. 41).

Auch für den Fall, dass die Teilungsordnung eindeutige Regelungen zum Berechnungsweg enthält, verweist der BGH auf die Probleme bei der inhaltlichen Kontrolle dieser regelmäßig sehr technisch gehaltenen Regelungen durch die Familiengerichte. Diese werden noch dadurch verschärft, dass der Versorgungsträger nach Ansicht des BGH im familiengerichtlichen Verfahren nicht zu einer Auskunft über die voraussichtliche Höhe des Kürzungsbetrages verpflichtet ist (Rn. 40).

Unabhängig von der Frage der Bindungswirkung der familiengerichtlichen Entscheidung für die Fachgerichte bei der Berechnung des Kürzungsbetrages seien die Familiengerichte jedoch dazu befugt, die Teilungsordnung auch im Hinblick auf eine mögliche Benachteiligung des Ausgleichspflichtigen bei der Kürzung seines Anrechts zu überprüfen (Rn. 43). Im vorliegenden Fall enthält die Teilungsordnung Regelungen zur Berechnung des Kürzungsbetrages, die nach Auffassung des BGH Anlass geben, diese Berechnungsvorschriften im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens detailliert zu prüfen (Rn. 45).

veröffentlicht in: LEITER bAV.de, 24. Mai 2018