Versorgungsausgleich: Teilung einer Invalidenrente (BGH-Beschlüsse vom 21.6.2017, XII ZB 636/13, und vom 16.8.2017, XII ZB 21/17)

In zwei Beschlüssen zum Versorgungsausgleich beschäftigt sich der BGH mit der Teilung laufender Invalidenrenten aus Direktversicherungen. In beiden Fällen trat der Versorgungsfall der Invalidität während der Ehezeit ein, was zu einem starken Anstieg der Deckungsrückstellung führte, die der Teilung zu Grunde gelegt wird. Bei Ehescheidung wurde die ehezeitliche Veränderung der Deckungsrückstellung hälftig geteilt und nach Abzug der Teilungskosten als Ausgleichswert vorgeschlagen, aus dem dann eine neue, nach diesem Teilungsverfahren verhältnismäßig hohe Anwartschaft auf Altersrente für den ausgleichsberechtigten Ehegatten ermittelt wurde.

I. Unbilligkeit der Teilung

Nach § 28 Abs. 1 VersAusglG ist ein „Anrecht der Privatvorsorge wegen Invalidität […] nur auszugleichen, wenn der Versicherungsfall in der Ehezeit eingetreten ist und die ausgleichsberechtigte Person am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität bezieht oder die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt”. Diese Regelung des § 28 VersAusglG ist in den vorliegenden Fällen nach Ansicht des BGH weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, da es sich bei einer Direktversicherung um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung handele und diese Anrechte vom Gesetzgeber bewusst von der Regelung des § 28 VersAusglG ausgenommen worden seien.

Allerdings müsse „der in § 28 VersAusglG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertentscheidung im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 27 VersAusglG ein erhebliches Gewicht beigemessen werden”. Die Regelung des § 27 VersAusglG sieht vor: „Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.”

Unbilligkeit i.S.d. § 27 VersAusglG liege jedoch dann vor, wenn der Ausgleichsberechtigte durch die Teilung eine „unverhältnismäßig hohe Altersversorgung” erhalten würde. Statt auf den Kapitalwert (Deckungsrückstellung) der laufenden Invaliditätsrente sei auf fiktive Anwartschaftswerte abzustellen, die sich ohne Eintritt des Versorgungsfalls ergeben hätten (Beschluss vom 21.6.2017, Rn. 25ff.).

II. Schlussfolgerung

Bei Ehescheidungen, in denen die Ehegatten einen unterschiedlichen Status hinsichtlich ihres Rentenbezugs haben, ist allgemein besondere Vorsicht geboten. Dies gilt umso mehr, wenn der Ausgleichsverpflichtete verhältnismäßig jung ist und eine Invalidenrente bezieht, weil in diesen Fällen der Eintritt der Invalidität eine besonders große Auswirkung auf die Höhe des Deckungskapitals hat. Eine Teilung ohne Berücksichtigung derartiger Besonderheiten kann zu grob unbilligen Ergebnissen führen. Die vom BGH vorgesehene Berechnung auf Grundlage des fiktiven Anwartschaftsbarwerts, der sich ohne den Eintritt der Invalidität ergeben hätte, scheint grundsätzlich eine sinnvolle Lösung der sonst in solchen Fällen möglichen Verwerfungen der Anspruchshöhen zu bieten.

Die nach § 27 erforderliche Gesamtabwägung des Einzelfalls muss aber wohl durch das Gericht vorgenommen werden und nicht durch den Versorgungsträger. Im Rahmen einer Auskunft wird der Versorgungsträger demnach immer zunächst den vollen Ehezeitanteil der laufenden Invalidenrente als Rentenbarwert zugrunde legen müssen. Dem Gericht wird es dann obliegen, dem Versorgungsträger nach erfolgter Abwägung aufzugeben, ob bei einer Teilung des Anrechts die laufende Leistung z.B. um Zurechnungszeiten zu korrigieren ist und ob statt des Barwerts der laufenden Leistung ein fiktiver Anwartschaftsbarwert angesetzt werden muss.

Damit die Verwendung des fiktiven Anwartschaftsbarwerts tatsächlich dem Ausgleichspflichtigen zu Gute kommt, muss der Versorgungsträger für die Umrechnung des Ausgleichswerts in einen wertgleichen Kürzungsbetrag jedoch statt des fiktiven Anwartschaftsbarwerts wiederum den Barwert der laufenden Invalidenrente verwenden.

Die vom BGH behandelten Fälle betreffen zwar Direktversicherungen, aber ähnliche Erwägungen treffen u.E. auch bei anderen Durchführungswegen zu, sofern eine Teilung über einen Kapitalwert der laufenden Rente durchgeführt wird.