Die Begründung des neuen BAG-Urteils zur Höhe der betrieblichen Altersversorgung eines Rentners enthält neben Ausführungen, die die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls betreffen, auch allgemein interessante Grundsätze zum Verhältnis mehrerer Versorgungszusagen.
Existiert wie im konkreten Fall bei einem Arbeitgeber eine zeitlich vorrangige Einzelabrede oder Einzelzusage der betrieblichen Altersversorgung und wird später eine (kollektivrechtliche) Regelung eingeführt, muss genau geprüft werden, inwieweit die Individualvereinbarung noch Bestand hat.
Kollektivrechtliche Versorgungszusagen, seien es Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, gelten wegen ihres normativen Charakters grundsätzlich für alle erfassten Arbeitnehmer. Inwieweit diese neben Individualvereinbarungen treten oder diese ersetzen sollen, ergibt sich durch entsprechende Regelungen oder durch eine etwaige Günstigerprüfung.
Die Arbeitsvertragsparteien können ggf. also auch Arbeitnehmer, denen bereits eine individuelle Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung erteilt wurde, vom kollektiven Versorgungswerk ausnehmen (Rn. 58).
Handelt es sich jedoch bei dem kollektiven Versorgungswerk um eine Betriebsvereinbarung und wird ein Arbeitnehmer durch eine einzelvertragliche Vereinbarung zwischen ihm und dem Arbeitgeber aus dem gesamten kollektiven Versorgungswerk ausgeschlossen, kann dieser Ausschluss schon allein aufgrund eines unzulässigen Verzichts im Sinne des § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG gemäß § 134 BGB unwirksam sein, wenn die Einzelabrede für den betreffenden Arbeitnehmer nicht günstiger ist als die Betriebsvereinbarung (Rn. 50 mit Verweis auf das BAG-Urteil vom 19.7.2016 – 3 AZR 134/15). In diesem Fall gilt die für ihn günstigere Betriebsvereinbarung.
Handelt es sich hingegen um eine unwirksame Betriebsvereinbarung, die in eine Gesamtzusage umzudeuten ist (Rn. 40), kann es im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände sein, dass sich der Arbeitgeber nach § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben) nicht auf die ausschließende Vereinbarung (hier: Ausschluss des Arbeitnehmers für die Zukunft aus seinem System der betrieblichen Altersversorgung insgesamt, Rn. 51ff.) berufen darf. Dies ist jedenfalls dann möglich, wenn es der Arbeitgeber nach den besonderen Umständen des Falls gemäß § 241 Abs. 2 BGB pflichtwidrig unterlassen hat, mit dem Arbeitnehmer die Zusage auf betriebliche Altersversorgung erneut zu erörtern bzw. zu verhandeln und ihm ggf. einen gleichwertigen Versorgungsschutz wie allen anderen Arbeitnehmern anzubieten (Rn. 55). Es ist insoweit treuwidrig, den Arbeitnehmer einseitig gravierend zu benachteiligen (Rn. 58). Eine Rechtfertigung des vollständigen und künftigen Ausschlusses ist darüber hinaus auch nur dann möglich, wenn die individuelle Zusage eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung gewährleistet (Rn. 63 mit Verweis auf das BAG-Urteil vom 3.6.2020 – 3 AZR 730/19).
Für die Praxis kann man diesen Grundsätzen entnehmen, dass nicht nur bei der Einführung, sondern auch bei der Änderung kollektivrechtlicher Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung Vorsicht geboten ist, soweit in deren persönlichen Geltungsbereich auch Arbeitnehmer mit Individualvereinbarungen fallen. Es sollte unter dem Gesichtspunkt der Günstigerprüfung, der einschlägigen Rechtsprechung und gesetzlicher Kollisionsnormen geprüft werden, wie die Regelungen im Verhältnis zueinander stehen dürfen und sollen.