Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten bei Auflösung eines Versicherungsvertrags (BFH-Urteil vom 6.5.2020, X R 24/19)

Die Versteuerung einer Einmalzahlung aus einem Vertrag mit einer Versicherung (Direktversicherung), einer Pensionskasse oder einem Pensionsfonds mit dem reduzierten Satz gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG für Einkommen aus mehrjährigen Tätigkeiten war bereits verschiedentlich Gegenstand von Entscheidungen des BFH. In einem neuen Urteil beschäftigt sich der BFH näher mit den Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrags auf Wunsch des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis.

Die grundsätzliche Besteuerung des ausgezahlten Rückkaufwerts der Versicherung, die aus nach § 3 Nr. 63 EStG unversteuerten Beiträgen gemäß einer Entgeltumwandlungsvereinbarung finanziert wurde, ist im vorliegenden Fall unstrittig. Fraglich ist aber, ob „außerordentliche Einkünfte“ i.S.d. § 34 EStG vorliegen, was eine günstigere Besteuerung des Rückkaufswerts rechtfertigen würde.

Der BFH stellt zunächst fest, dass das Kriterium der Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten erfüllt sei, da die Beiträge über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten und über mindestens zwei Veranlagungszeiträume geleistet worden seien (Rz. 16). Die Frage nach der Außerordentlichkeit der Einkünfte wird vom BFH jedoch nicht beantwortet, sondern zur Klärung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Diesem macht der BFH aber seine Anforderungen an das Vorliegen außerordentlicher Einkünfte deutlich.

Dabei rückt er von seiner bisherigen Auffassung ab, dass Einkünfte „nur dann außerordentlich [seien], wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung” entspricht (BFH-Urteil vom 20.9.2016, X R 23/15, Rz. 23). Unter Bezug auf zwei neuere Urteile sieht er das „Kriterium der Atypik als entscheidend“ an, d.h. die Einmalzahlung müsse für „den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch“ sein (Rz. 18), was im vorliegenden Fall das Finanzgericht nicht im ausreichenden Maße festgestellt habe.

Für die Beurteilung der Einmalzahlung seien alle für den Mitarbeiter abgeschlossenen Verträge zu berücksichtigen, die in den Durchführungswegen der Direktversicherung, der Pensionskasse oder des Pensionsfonds bestanden und seit 2005 „durch eine einmalige Kapitalabfindung bei Rentenbeginn oder vorzeitig durch Kündigung bzw. durch sonstige Vertragsauflösung mit der Folge einer Auszahlung des Rückkaufswertes beendet worden sind […]; nicht einzubeziehen sind Altersvorsorgeverträge“ (Rz. 33). Der Senat könne „mangels statistischen Materials nicht beurteilen, ob es nur in atypischen Einzelfällen zur Kapitalabfindung bei Rentenbeginn bzw. zur vorzeitigen Beendigung von Versicherungsverträgen aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung durch Kündigung oder sonstige Aufhebung verbunden mit der Auszahlung des Rückkaufswertes kommt oder nicht“ (Rz. 36).

Das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer im Versicherungsvertrag festgelegten Möglichkeit einer Kapitalabfindung (vgl. BFH-Urteil vom 20.9.2016, X R 23/15) stellt lediglich ein Indiz für einen typischen bzw. atypischen Vorgang dar und reicht damit für die Beurteilung der Anwendbarkeit des § 34 EStG noch nicht aus (Rz. 18).

Aktualisierung: Vgl. zu diesem Thema auch das BFH-Urteil vom 6.5.2020, X R 7/19.