BMF-Schreiben vom 2.5.2022: Finanzierungsendalter bei steuerlichen Rückstellungen (IV C 6 – S 2176/20/10005 :001)

Das bei der Berechnung der steuerlichen Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen verwendete Endalter kann einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Rückstellung für Leistungsanwärter haben. Es dient zum einen als das Alter, zu dem der Beginn von Zahlungen als Altersleistung angenommen wird, und zum anderen als das Alter, zu dem die Finanzierung der Pensionszusage rechnerisch abgeschlossen ist. Je niedriger das Endalter angesetzt wird, desto höher ist bei Leistungsanwärtern i.d.R. die Pensionsrückstellung.

Aus diesem Grund ist die Verwendung eines niedrigen Endalters durch die Einkommensteuerrichtlinien (R 6a Abs. 11 EStR) eingeschränkt: Grundsätzlich sei das vertraglich vereinbarte Alter anzusetzen, zu dem die Altersleistung beginnen soll. Jedoch könne ein höheres Alter (sog. erstes Wahlrecht) oder das Alter der frühestmöglichen Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (das häufig verwendete sog. zweite Wahlrecht) als Endalter angesetzt werden, wobei eine „Voraussetzung für die Ausübung des zweiten Wahlrechtes ist, dass in der Pensionszusage festgelegt ist, in welcher Höhe Versorgungsleistungen von diesem Zeitpunkt an gewährt werden“ (R 6a Abs. 11 S. 4 EStR).

I. BFH-Urteil vom 20.11.2019

Mit dem BFH-Urteil vom 20.11.2019 (XI R 42/18) verwarf das Gericht die bis dahin von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, dass bei der Bewertung von Direktzusagen mit unterschiedlichen vertraglich vereinbarten Pensionierungsaltern ein einheitliches Endalter angesetzt werden müsse, wenn das zweite Wahlrecht angewandt wird: „Die gegenüber einem Berechtigten getroffene Wahl gilt einheitlich für die gesamte Pensionsverpflichtung, einschließlich einer etwaigen Entgeltumwandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 Betriebsrentengesetz“ (R 6a Abs. 11 S. 10 EStR).

Der BFH legte dagegen fest, „dass hinsichtlich des Finanzierungsendalters bei verschiedenen gegenüber einem Arbeitnehmer erteilten Pensionszusagen mit jeweils unterschiedlichen Pensionsaltern nach Wahl des Berechtigten jeweils auf den in den einzelnen Zusagen vereinbarten Leistungszeitpunkt abzustellen ist“. Mehrere Pensionszusagen an denselben Arbeitnehmer mit unterschiedlichen vertraglichen Pensionierungsaltern gelten also hinsichtlich der Berechnung der steuerlichen Pensionsrückstellung als jeweils eigenständige Zusagen.

II. Pensionsrückstellungen

Mit dem neuen BMF-Schreiben vom 2.5.2022 wird festgelegt, dass R 6a Abs. 11 S. 10 EStR nicht weiter anzuwenden sei, dass also kein einheitliches Endalter mehr anzusetzen ist: „Das zweite Wahlrecht kann für unterschiedliche Pensionszusagen des Berechtigten unabhängig voneinander ausgeübt werden.“

Wenn die nun aufgehobene Regelung in der Vergangenheit bereits angewandt wurde, also das Endalter einer Pensionszusage in Übereinstimmung mit dem Endalter einer anderen Zusage an denselben Arbeitnehmer festgelegt wurde, „kann das zweite Wahlrecht nach R 6a Absatz 11 Satz 3 EStR spätestens in der Bilanz des nach dem 29. Juni 2023 endenden Wirtschaftsjahres einmalig neu ausgeübt oder eine frühere Ausübung dieses Wahlrechtes zurückgenommen werden“ (Übergangsregelung).

III. Jubiläumsrückstellungen

Für die Berechnung der steuerlichen Rückstellungen für Dienstjubiläen forderte die Finanzverwaltung bisher, dass dasselbe Endalter verwendet wird wie für die Bewertung einer Pensionszusage an denselben Arbeitnehmer, sofern eine solche existiert (BMF-Schreiben vom 8.12.2008, IV C 6 – S 2137/07/10002, Rn. 8). Mit dem neuen BMF-Schreiben wird festgelegt, dass diese Bestimmung ebenfalls nicht weiter anzuwenden sei: „Für die Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem der Begünstigte wegen des Eintritts in den Ruhestand aus dem Unternehmen ausscheidet, ist ausschließlich das dienstvertragliche Pensionsalter, spätestens die jeweilige Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde zu legen“.

Anders als bei Pensionsrückstellungen ist die steuerliche Rückstellung für Dienstjubiläen bei einem höheren Endalter oft größer als bei einem niedrigeren Endalter, weil die Finanzierung einer Jubiläumsleistung immer nur bis zum Zeitpunkt des jeweiligen Dienstjubiläums erfolgt und bei einem höheren Endalter ggf. mehr Jubiläen in die Bewertung einbezogen werden als bei einem niedrigeren Endalter.

IV. Fazit

Die Anpassungen der Einkommensteuer-Richtlinien und des BMF-Schreibens vom 8.12.2008 zur Berechnung von Jubiläumsrückstellungen an die Aussagen des BFH-Urteils erhöhen die Rechtsklarheit und können zu einer etwas sachgerechteren Bewertung der betreffenden Verpflichtungen beitragen.

Es sollte nun geprüft werden, ob bei Pensionsverpflichtungen eine Korrektur der Endalter nach der Übergangsregelung des BMF-Schreibens erfolgen soll. Nach dem Wortlaut des BMF-Schreibens scheint es nicht beanstandet zu werden, wenn ein Endalter beibehalten wird, das nach der bisherigen Regelung an das Endalter einer anderen Pensionszusage angepasst wurde. In manchen Fällen kann sich hier die Möglichkeit bieten, die steuerliche Rückstellung in Zukunft höher anzusetzen.

Für Jubiläumsrückstellungen besteht demgegenüber keine Übergangsregelung, d.h. es müsste nun ein von der Bewertung etwaiger Pensionsverpflichtungen unabhängiges Endalter verwendet werden.