In zwei Urteilen vom 20.11.2019 befasst sich der BFH v.a. mit dem Betriebsausgabenabzug für Zahlungen, die bei der teilweisen Übertragung von Pensionsverpflichtungen an einen Pensionsfonds im sogenannten „Kombinationsmodell“ geleistet werden (dazu hier Näheres). In einem dieser Urteile verwirft er aber darüber hinaus die seit langem von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, dass die steuerbilanzielle Bewertung von Direktzusagen mit unterschiedlichen vertraglich vereinbarten Pensionierungszeitpunkten unter Verwendung eines einheitlichen rechnerischen Pensionierungsalters (Finanzierungsendalter) erfolgen müsse.
In Pensionszusagen wird meist ein Zeitpunkt (z.B. die Vollendung des 65. Lebensjahres) festgelegt, der für den Bezug der Altersleistung vorgesehen ist; steuerlich zulässig ist dabei für neue Pensionszusagen ein Alter von grundsätzlich mindestens 62 Jahren (BMF-Schreiben vom 6.12.2017, IV C 5 – S 2333/17/10002, Rn. 3). Nach § 6 BetrAVG kann ein Arbeitnehmer aber bereits dann eine Altersrente verlangen, wenn er eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente bezieht. Für die steuerbilanzielle Bewertung einer Direktzusage fordert § 6a Abs. 3 Nr. 1 S. 3 EStG, dass die rechnerische Finanzierung „bis zu dem in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls“ zu erfolgen hat. Wegen der Möglichkeit eines früheren oder auch späteren Bezugs der Altersleistung räumen die Einkommensteuer-Richtlinien in R 6a (11) EStR die Möglichkeit ein, anstelle des vertraglich vorgesehenen Beginns der Altersleistung ein höheres Alter (erstes Wahlrecht) oder das Alter der frühestmöglichen Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (zweites Wahlrecht) der Bewertung der Pensionsverpflichtung zu Grunde zu legen.
Die Finanzverwaltung geht jedoch davon aus, dass „die gegenüber einem Berechtigten getroffene Wahl […] einheitlich für die gesamte Pensionsverpflichtung [gilt], einschließlich einer etwaigen Entgeltumwandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 Betriebsrentengesetz“ (R 6a (11) S. 10 EStR). Damit müssten mehrere, voneinander unabhängige Pensionszusagen an denselben Arbeitnehmer immer mit demselben Endalter bewertet werden, auch wenn die einzelnen Zusagen unterschiedliche vertragliche Endalter aufweisen. Dies kann etwa bei Pensionszusagen vorkommen, die sich an unterschiedliche Personenkreise wenden, z.B. bei einer allgemeinen Zusage an alle Arbeitnehmer des Unternehmens und einer zusätzlich erteilten Zusage nur an die Führungskräfte mit einem anderen Pensionierungsalter. Auch bei Pensionszusagen, die an Rückdeckungsversicherungsverträge mit verschiedenen Tarifen anknüpfen, ergeben sich häufiger unterschiedliche Pensionierungsalter.
Maßgeblich für das Finanzierungsendalter der Pensionszusagen soll nach Ansicht der Finanzverwaltung das für die zeitlich erste Zusage gewählte Endalter sein. Problematisch ist dabei u.a., dass die Leistungshöhe bei anderen als dem vertraglich jeweils vorgesehenen Endalter u.U. nicht genau bekannt ist, sondern nur näherungsweise ermittelt werden kann. Dies gilt v.a. bei Zusagen mit kongruenter Rückdeckung, bei denen dem Arbeitgeber oft nicht bekannt ist, welche Berechnungsvorschriften die rückdeckende Versicherung für die Leistungshöhe anwendet, wenn die Altersleistung zu einem anderen Zeitpunkt beginnt als in dem Versicherungsvertrag vorgesehen ist.
Im nun vom BFH entschiedenen Fall liegen neben arbeitgeberfinanzierten Pensionszusagen, für deren Bewertung der Arbeitgeber ein Endalter von 65 gewählt hatte, gleichzeitig auch durch Entgeltumwandlung finanzierte Pensionszusagen vor, die unterschiedliche vertragliche Endalter vorsehen, auf die die jeweiligen Bewertungen dieser Zusagen auch abstellen. Die Finanzverwaltung wollte hier jedoch das für die arbeitgeberfinanzierten Zusagen gewählte Endalter 65 auch einheitlich auf die durch Entgeltumwandlung finanzierten Zusagen anwenden.
Der BFH legt dagegen nun fest, „dass hinsichtlich des Finanzierungsendalters bei verschiedenen gegenüber einem Arbeitnehmer erteilten Pensionszusagen mit jeweils unterschiedlichen Pensionsaltern nach Wahl des Berechtigten jeweils auf den in den einzelnen Zusagen vereinbarten Leistungszeitpunkt abzustellen ist“ (Rn. 34). Wenn ein Arbeitnehmer mehrere Pensionszusagen mit unterschiedlichen vertraglichen Pensionierungsaltern erhalten habe, so folge daraus, dass nicht von einer einheitlichen Pensionszusage ausgegangen werden könne, sondern dass jeweils eigenständige Zusagen vorlägen und damit kein einheitliches Pensionierungsalter zur Anwendung kommen könne (Rn. 38).
Aus aktuarieller Sicht ist diese Aussage des Urteils sehr begrüßenswert, da eine getrennte, auf die jeweilige Pensionszusage abgestimmte Bewertung oft eine genauere und damit sachgerechtere Rückstellungsbildung ermöglicht. Auch für andere Verpflichtungen, insbesondere für Dienstjubiläen, sollte nach der Urteilsbegründung die Anwendung eines separaten Endalters möglich sein, während die Finanzverwaltung gegebenenfalls die Übernahme des Endalters einer Pensionszusage forderte (BMF-Schreiben vom 8.12.2008 (IV C 6 – S 2137/07/10002, Rn. 8).
Es bleibt abzuwarten, ob die Einkommensteuer-Richtlinien an das Urteil angepasst werden und ob die Finanzverwaltung deutlich machen wird, wie verfahren werden soll, wenn bereits bisher mehrere Zusagen an denselben Arbeitnehmer bestanden und entsprechend R 6a (11) S. 10 EStR mit einem einheitlichen Endalter bewertet wurden. Ein explizites Wahlrecht des Arbeitgebers zwischen der Umstellung der Bewertung auf die jeweiligen vertraglichen Endalter und der Beibehaltung der bisher verwendeten einheitlichen Endalter wäre wünschenswert.
Aktualisierung: Mittlerweile hat die Finanzverwaltung auf das BFH-Urteil reagiert mit einem BMF-Schreiben vom 2.5.2022.