Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze nach Ausscheiden eines Mitarbeiters mit unverfallbarer Anwartschaft – Festschreibung der Bemessungsgrundlagen (BAG-Urteil vom 21.11.2023, 3 AZR 1/23)

Mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2008 die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Diese Änderung wurde im Bereich der betrieblichen Altersversorgung durch eine Anpassung von § 2 Abs. 1 BetrAVG berücksichtigt. Die Höhe einer unverfallbaren Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist nun bei Anwendung der zeitratierlichen Methode grundsätzlich aus der bei Erreichen der Regelaltersgrenze – statt bei Vollendung des 65. Lebensjahres – zustehenden Leistung zu ermitteln.

Das BAG hatte dazu im November letzten Jahres zu entscheiden, wie der Anspruch aus unverfallbarer Anwartschaft eines Arbeitnehmers zu berechnen ist, der vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes am 1. Januar 2008 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied und erst später seine Betriebsrente in Anspruch nahm. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass wegen der in § 2a Abs. 1 BetrAVG geregelten Festschreibung der Bemessungsgrößen zum Ausscheidezeitpunkt die Anhebung der Regelaltersgrenze bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft unberücksichtigt bleiben müsse. Bei Gesamtversorgungssystemen gelte diese Festschreibung auch für die anzurechnende anderweitige Versorgungsleistung, hier aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung zugesagt, die insbesondere eine Anrechnung der hälftigen (aus Arbeitgeberbeiträgen finanzierten) Sozialversicherungsrente auf die errechnete Betriebsrente vorsieht (Gesamtversorgungssystem).

Bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis 1998 wurde ihm die Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaft bescheinigt, wobei der Berechnung die Vollendung des 65. Lebensjahres als Altersgrenze zugrunde gelegt wurde. Seit April 2018 (Vollendung des 63. Lebensjahres) bezieht der Arbeitnehmer eine gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte sowie eine vorgezogene Betriebsrente. Letztere wurde vom Arbeitgeber in geringerer Höhe gewährt als bei Ausscheiden bescheinigt, weil eine Neuberechnung hinsichtlich der erreichbaren Betriebszugehörigkeit auf die angehobene Regelaltersgrenze abstellte und zudem auch die anrechenbare (fiktive) Sozialversicherungsrente auf Grundlage des angehobenen Regelrentenalters hochgerechnet wurde.

Dieser Vorgehensweise erteilt das BAG eine Absage: Die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft richte sich nach §§ 2, 2a BetrAVG. Irrelevant sei mangels Übergangsvorschrift, dass diese Normen in ihrer heutigen Fassung erst am 1. Januar 2018 und damit nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers in Kraft getreten sind.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG hat bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Erreichens der Altersgrenze ein vorher mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer einen Anspruch mindestens in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung (Vollrente), der dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit (Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. einer in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze) entspricht (Quotierungsprinzip). Gemäß § 2a Abs. 1 BetrAVG sind dabei die Versorgungsregelung und die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Ausscheidens zugrunde zu legen; Veränderungen, die nach dem Ausscheiden eintreten, bleiben außer Betracht (Veränderungssperre und Festschreibeeffekt).

Die Bestimmung der Höhe der unverfallbaren Anwartschaft setze im konkreten Fall folglich zunächst die Errechnung der erreichbaren fiktiven Vollrente voraus. Zugrunde zu legen seien dabei die bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geltende Versorgungsordnung und die zu diesem Zeitpunkt gültigen Bemessungsgrundlagen, wobei letztere auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls hochzurechnen seien (Rn. 21). Es sei dabei auch nach Maßgabe der Gesamtversorgungsregelung die fiktiv auf die feste Altersgrenze hochgerechnete Rente aus der GRV anzurechnen – vorliegend auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres. Maßgeblich für die fiktive Berechnung der anzurechnenden Sozialversicherungsrente sei das im Zeitpunkt des Ausscheidens geltende Sozialversicherungsrecht. Der Zeitpunkt der festen Altersgrenze, auf den die anzurechnende fiktive Sozialversicherungsrente hochzurechnen sei, stelle als Berechnungsgröße eine Bemessungsgrundlage i.S.d. § 2a Abs. 1 BetrAVG dar. Für die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft sei daher auch die BAG-Rechtsprechung unerheblich, wonach eine bestehende Versorgungsordnung, die für den Eintritt des Versorgungsfalls auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt, regelmäßig dahingehend auszulegen sei, dass damit auf die jeweilige Regelaltersgrenze in der GRV Bezug genommen wird (Rn. 23ff.).

Auch bei der weiteren Ermittlung der unverfallbaren Anwartschaft im Rahmen des Quotierungsprinzips, also insbesondere bei der Bestimmung der möglichen Betriebszugehörigkeit, sei aufgrund der Veränderungssperre und des Festschreibeeffekts auf das 65. Lebensjahr abzustellen (Rn. 33).

Ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze sei im Übrigen richtigerweise nicht vorgenommen worden. Die Versorgungszusage sehe keinen versicherungsmathematischen Abschlag vor. Ein sogenannter untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag scheide jedenfalls deswegen aus, weil die hier vorliegende Versorgungszusage abschließend unabhängig von der konkreten Art des Versorgungsfalles bestimme, wie die Betriebsrente bei einer vorgezogenen Inanspruchnahme nach vorzeitigem Ausscheiden zu berechnen sei, und es damit an einer ausfüllungsbedürftigen Lücke fehle und darüber hinaus auch die Vollzugspraxis entgegenstünde (Rn. 34ff.).

Grundsätzlich dürfte sich in der Praxis durch diese Entscheidung nicht viel ändern, da es sich weitestgehend um gefestigte Rechtsprechung handelt. Durch die Bestätigung herrscht aber jedenfalls weitere Rechtssicherheit dahingehend, dass auch bei Gesamtversorgungssystemen bzw. der entsprechend anzurechnenden anderweitigen Versorgungsleistung die Anhebung der Regelaltersgrenze für die Berechnung einer unverfallbaren Anwartschaft eines vor dem 1. Januar 2008 ausgeschiedenen Arbeitnehmers unberücksichtigt bleibt. Soweit nichts Abweichendes geregelt ist, ist hingegen bei der Auslegung der Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit in Versorgungsbestimmungen auch weiter regelmäßig von einer Kopplung an das jeweils aktuelle Sozialversicherungsrecht auszugehen (dynamischer Verweis).