Ein „Zweites Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“ (Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz, BRSG II) soll die betriebliche Altersversorgung fortentwickeln und Hindernisse für ihre Verbreitung beseitigen. Der Gesetzgebungsprozess ist derzeit (Mitte November 2025) noch nicht abgeschlossen, aber es wird erwartet, dass das Gesetz noch im Jahr 2025 veröffentlicht und grundsätzlich sofort in Kraft treten wird. Im Folgenden stellen wir deshalb die wichtigsten Neuregelungen daraus vor. Gegenüber dem Gesetzentwurf des Jahres 2024, der nicht mehr umgesetzt werden konnte, wurden keine grundsätzlichen Veränderungen vorgenommen.
1. Verdoppelte Höchstgrenze bei Abfindungen in die gesetzliche Rentenversicherung
Nach dem neuen § 3 Abs. 2a BetrAVG n.F. können Arbeitgeber und ein aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidender Arbeitnehmer die Abfindung einer geringwertigen unverfallbaren Anwartschaft vereinbaren, wenn deren monatliche Höhe bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze bei einer lebenslangen Rentenleistung 2 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (derzeit 3.745 Euro) bzw. im Fall einer Kapitalleistung 24/10 der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigen würde. Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeitgeber den Abfindungsbetrag unmittelbar als zusätzlichen Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt. Die Abfindungszahlung ist nach dem neuen § 3 Nr. 55c S. 2 Buchst. b EStG n.F. steuerfrei.
2. Abfindungsfiktion bei Auflösung einer Pensionskasse
Der neue § 3 Abs. 7 BetrAVG n.F. bildet die arbeitsrechtliche Begleitung bei der Auflösung einer Pensionskasse, bei der das gebildete Kapital der Kasse an die Versorgungsberechtigten der Kasse ausgezahlt wird und die Leistungen der Kasse eingestellt werden. Die arbeitsrechtlich zunächst weiter bestehende Verpflichtung des Trägerunternehmens, seinen ehemaligen Arbeitnehmern die entsprechende Versorgung zu verschaffen, wird korrespondierend beseitigt, indem die Abfindung der Anrechte fingiert wird, soweit sie von der Pensionskasse durchgeführt wurden.
3. Vorgezogener Bezug der Altersleistung
Die in § 6 BetrAVG gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit des vorzeitigen Bezugs von Altersleistungen der betrieblichen Altersversorgung, die bisher den Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente voraussetzt, wird nun auch auf den Fall des Bezugs einer Teilrente ausgeweitet. Daraus folgt jedoch nicht, dass auch die Betriebsrente als Teilrente gewährt werden müsste; das Ende der Beschäftigung des Arbeitnehmers kann weiter eine Voraussetzung für den Bezug der betrieblichen Altersversorgung sein. Diese Neuregelung des § 6 BetrAVG tritt erst zum 1.1.2027 in Kraft.
4. Optionssysteme ohne Tarifvertrag
Ein Optionssystem im Sinne des § 20 BetrAVG besteht in einer automatischen Entgeltumwandlung durch alle oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, gegen die der Arbeitnehmer jedoch ein Widerspruchsrecht hat. Damit erfordert die Entgeltumwandlung keine aktive Entscheidung des Arbeitnehmers, was der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zugutekommen soll.
Der nun neu hinzugefügte § 20 Abs. 3 BetrAVG n.F. lässt die Einführung von Optionssystemen auch ohne tarifvertragliche Grundlage in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zu, wenn Entgeltansprüche nicht und auch nicht üblicherweise in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt sind. Dies setzt zusätzlich voraus, dass der Arbeitgeber zusätzlich zu den sonstigen Vorgaben des § 20 Abs. 2 BetrAVG (bei tarifvertraglich geregelten Optionssystemen) einen Arbeitgeberzuschuss von mindestens 20 % des umgewandelten Entgelts gewährt. Die Zuschussverpflichtung des § 1a Abs. 1a BetrAVG ist mit diesem Arbeitgeberzuschuss erfüllt.
5. Verantwortung der Tarifvertragsparteien für das Sozialpartnermodell
Das Sozialpartnermodell (reine Beitragszusage), das die Beschränkung der Pflichten des Arbeitgebers i.W. auf die Zahlung des Beitrags reduziert und insbesondere die Einstandsverpflichtung des § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG ausschließt, ist in § 21ff. BetrAVG geregelt, wo u.a. eine Pflicht der Tarifvertragsparteien für die Durchführung und Steuerung des Sozialpartnermodells festgelegt ist. In § 21 Abs. 2 BetrAVG n.F. wird nun klargestellt, dass auch eine mangelhafte Beteiligung von Tarifvertragsparteien an der Durchführung und Steuerung nicht dazu führt, dass die reine Beitragszusage unwirksam wird. Damit wird die bisher gelegentlich geäußerte Befürchtung ausgeräumt, in diesem Fall würde die Einstandsverpflichtung des Arbeitgebers wieder aufleben. Ferner besteht nun bei der tarifvertraglich geregelten Beteiligung an einem bereits bestehenden Sozialpartnermodell keine Pflicht zur Beteiligung an der Durchführung und Steuerung des Sozialpartnermodells mehr (§ 21 Abs. 2 S. 3 BetrAVG n.F.).
6. Teilnahme Dritter an Sozialpartnermodellen
Da Sozialpartnermodelle nur auf der Grundlage von Tarifverträgen aufgesetzt und durchgeführt werden können, jedoch eine möglichst große Beteiligung auch von nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erreicht werden soll, sollen auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einem Sozialpartnermodell teilnehmen können, was zu einer Neufassung von § 24 BetrAVG führt.
Wenn die Tarifvertragsparteien, die das Sozialpartnermodell durchführen, der Teilnahme von nicht tarifgebundenen Arbeitgebern zustimmen, so können diese teilnehmen, wenn die tarifliche Regelung „einschlägig“ ist, was laut Gesetzesbegründung bedeuten soll, „dass Dritte sich nur auf einen räumlich, zeitlich, betrieblich-fachlich und persönlich maßgeblichen Tarifvertrag beziehen können, der bei gegebener Tarifbindung ohnehin zwischen den Arbeitsvertragsparteien gelten würde“. Wenn die Regelung dagegen nicht „einschlägig“ ist, so ist eine Teilnahme dennoch möglich, wenn ein einschlägiger Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel enthält oder die das Sozialpartnermodell tragende Gewerkschaft nach ihrer Satzung für das Arbeitsverhältnis tarifzuständig ist.
Wegen des weiter bestehenden Tarifvorbehalts dürften diese erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten wohl die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nicht wesentlich vergrößern. Nach dem neuen § 30a BetrAVG n.F. soll durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis 2030 untersucht werden, ob ihre Verbreitung „auch aufgrund der vorgesehenen Öffnung von Sozialpartnermodellen erkennbar gestiegen ist“.
7. Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung
Die Beschränkung des Förderbeitrags zur betrieblichen Altersversorgung nach § 100 BetrAVG für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen (§ 100 Abs. 2 S. 1 EStG) wird von 288 Euro auf 360 Euro und die des steuerfreien Arbeitgeberbeitrags (§ 100 Abs. 6 S. 1 EStG) von 960 Euro auf 1.200 Euro angehoben. Die Grenze für das Einkommen, bis zu dem die Förderung beansprucht werden kann (§ 100 Abs. 3 S. 3 EStG), wird (bei monatlicher Lohnzahlung) auf 3 % der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung festgelegt und dynamisiert. Diese Neuregelungen treten erst zum 1.1.2027 in Kraft.
8. Pensionskassen
Einige Änderungen im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sollen die Regulierung von Pensionskassen aktualisieren und verbessern, insbesondere durch Anpassung der zulässigen Leistungsfälle einer Pensionskasse (Teilrenten, § 232 Abs. 1 Nr. 2 VAG n.F.). Ferner wird die Verwendung voraussichtlich nicht mehr benötigter Teile der Verlustrücklage bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit zugunsten der Versicherten geregelt (§ 193 Abs. 2 VAG n.F.), was v.a. bei für Neuzugang geschlossenen Pensionskassen nach starkem Rückgang der Versichertenzahl wichtig wird.
Die gesetzliche Forderung, dass die Verpflichtungen einer Pensionskasse jederzeit durch das Sicherungsvermögen bedeckt sein müssen, wird flexibilisiert, indem unter bestimmten Voraussetzungen eine vorübergehende Unterdeckung zugelassen wird, sofern ein Plan zur Wiederherstellung der vollständigen Bedeckung von der BaFin genehmigt wird (§ 234j Abs. 4ff. VAG n.F.). Eine ähnliche Regelung existiert bereits bisher für Pensionsfonds (§ 239 Abs. 3, 4 VAG).
9. Pensionsfonds
Bei Pensionsfonds wird die Möglichkeit einer Auszahlung der Leistung in Form von Raten anstelle eines Einmalkapitals in § 236 Abs. 1 VAG n.F. und die Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung aufgenommen. Ferner sollen Pensionsfonds ein Sterbegeld nun auch an andere Personen als Hinterbliebene auszahlen dürfen (§ 236 Abs. 1 S. 3 VAG n.F.).
10. Wertguthaben
Wertguthaben nach § 7b SGB IV (Zeitwertkonten; nicht jedoch Wertguthaben nach einer Altersteilzeitvereinbarung) können gemäß § 7c, § 23b SGB IV n.F. bis zum Ablauf des Monats in Anspruch genommen werden, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird, auch wenn bereits eine Altersrente in Anspruch genommen wird. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass „bei Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente angesparte Wertguthaben sozialversicherungsrechtlich aufzulösen wären, so dass die während der Ansparphase des Wertguthabens zunächst gestundeten Sozialversicherungsbeiträge auf das in das Wertguthaben eingebrachte Arbeitsentgelt zu zahlen sind“ (aus der Gesetzesbegründung).
Fazit
Insgesamt werden durch das erwartete Gesetz zwar einige kleinere Verbesserungen für die bAV erreicht, insbesondere für Pensionskassen und Sozialpartnermodelle, eine wesentliche Verbesserung der Rahmenbedingungen ist dadurch jedoch nicht zu erwarten. Das seit langem bestehende und diskutierte Problem der unzureichenden steuerlichen Behandlung der bAV, insbesondere der systematisch zu niedrigen Rückstellungshöhen bei Direktzusagen, wird trotz seiner Bedeutung auch für die Verbreitung der bAV weiter ignoriert.
