I. Störung der Geschäftsgrundlage
Der seit etwa acht Jahren immer weiter sinkende Rechnungszinssatz für Altersversorgungsverpflichtungen (§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB) führt zu steigenden Pensionsrückstellungen, die viele Unternehmen bilanziell stärker belasten als es bei der Einführung ihrer Versorgungszusagen absehbar war. Das BAG hatte sich nun mit der Frage auseinanderzusetzen, ob diese bilanzielle Zusatzbelastung eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellt, die u.U. nach § 313 BGB eine Anpassung des Vertrags rechtfertigen kann:
„(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.“
II. Steigende Pensionsrückstellungen nach BilMoG
Die dem Fall zugrunde liegende Pensionszusage aus dem Jahr 1976 sieht ein Ruhegehalt in Höhe von 53 % des pensionsfähigen Einkommens bei Eintritt des Versorgungsfalls und eine Rentenanpassung entsprechend den Veränderungen von Tarifgehältern der Pfälzischen Eisen- und Metallindustrie vor. Die Rente der Klägerin als Witwe des ehemaligen Arbeitnehmers wurde bis zum 30.6.2016 entsprechend dieser Regelung angepasst, während die Rente danach trotz der Tariflohnerhöhungen der Jahre 2016 und 2017 nicht mehr angepasst wurde. Das Unternehmen will stattdessen nur eine Erhöhung entsprechend § 16 BetrAVG vornehmen und beruft sich dabei auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Die dafür erforderlichen veränderten Umstände sieht das Unternehmen in der Einführung neuer Bilanzierungsvorschriften für Pensionsverpflichtungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.5.2009 und in der Niedrigzinssituation, die eine Erhöhung des Barwerts der Pensionszusage auf mehr als Doppelte seines ursprünglichen Werts bewirkt hätten (Rz. 9).
Das BAG sieht jedoch die Voraussetzungen für eine Störung der Geschäftsgrundlage nicht als gegeben an. Zwar könne ein Versorgungswerk wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage angepasst werden, wenn die Rechtslage, etwa im Steuer- und Sozialversicherungsrecht, sich seit seiner Einrichtung „wesentlich und unerwartet geändert und dies beim Arbeitgeber zu erheblichen tatsächlichen finanziellen Mehrbelastungen geführt“ habe (Äquivalenzstörung; Rz. 20). Ferner könne auch eine durch Gesetzesänderungen entstandene Verfehlung des Versorgungszwecks zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führen, etwa wenn dadurch eine planwidrige Überversorgung eintrete (Zweckverfehlung; Rz. 21).
III. Gehalts- und Rentendynamik keine Geschäftsgrundlage der Zusage
Im vorliegenden Fall habe sich die maßgebliche Rechtslage seit Erteilung der Pensionszusage aber nicht wesentlich und unerwartet geändert, und es seien auch keine für den Arbeitgeber unvorhersehbaren finanziellen Mehrbelastungen eingetreten (Rz. 22). Der vom Unternehmen vorgebrachte, durch die seit dem BilMoG vorgeschriebene Berücksichtigung von Gehalts- und Rententrends sowie die mittlerweile gesunkenen Rechnungszinssätze verursachte Anstieg der handelsbilanziellen Pensionsrückstellungen und die dadurch verschlechterten Ergebnisse des Unternehmens führten nicht zu einer Störung der Geschäftsgrundlage. Selbst in einer wirtschaftlichen Notlage dürfe nach den gesetzlichen Wertungen in § 7 Abs. 1 BetrAVG (Insolvenzschutz durch den PSV) keine Reduzierung der Renten durch den Arbeitgeber erfolgen; dies gelte auch bei vertraglich zugesagten Anpassungsregelungen (Rz. 31ff.).
Sowohl Gehalts- als auch Rentendynamik seien Teile der Pensionszusage und damit Inhalt, nicht aber Geschäftsgrundlage der Zusage. Eine Erhöhung des Barwerts, der zu einer Störung der Geschäftsgrundlage geführt haben könnte, könne also insoweit nicht eingetreten sein. Das Absinken des für die Berechnung der Pensionsrückstellungen anzuwendenden Rechnungszinssatzes habe nichts mit „der realen Zinsentwicklung und möglichen Auswirkungen“ auf das Unternehmen zu tun. Die tatsächlich vom Unternehmen zu leistenden Zahlungen hätten sich durch das BilMoG nicht erhöht, die Veränderung der Pensionsrückstellungen infolge des BilMoG würde im Wesentlichen nur einen Zeiteffekt abbilden, d.h. eine zeitliche Verschiebung von Erträgen (Rz. 40, 30).
Man kann dem Urteil entnehmen, dass das BAG eine Störung der Geschäftsgrundlage allenfalls dann sieht, wenn der Arbeitgeber durch wesentliche und bei Zusageerteilung unerwartete Veränderungen solchen erheblichen Mehrbelastungen ausgesetzt wird, die tatsächliche Zahlungen – im Gegensatz zu nur bilanziellen Effekten – betreffen. Damit dürfte eine Argumentation, die nur auf erhöhte Pensionsrückstellungen und vergrößerten Aufwand in der Rechnungslegung abstellt, nicht aussichtsreich sein, wenn nicht die tatsächliche Zahlungsentwicklung in erheblicher Weise von den ursprünglichen Annahmen bei Zusageerteilung abweicht. Besonders deutlich würde das wohl, wenn wegen der Niedrigzinssituation erhöhte Beiträge in ein externes Versorgungswerk erforderlich würden.